Was in der Branche so schön mit „kommunikativen Herausforderungen“ beschrieben wird, kennt Tobias Gerlach „aus dem Effeff“, wie er selbst sagt.
Heute ist er bei Juul, dem E-Zigaretten-Riesen aus den USA, der seit Ende vergangenen Jahres in Deutschland aktiv ist, bis 2016 hat der 47-Jährige beim Getränke- und Alkoholkonzern Diageo gearbeitet. Da ging es zum Beispiel um „responsible drinking“ – heute, so könnte man es zusammenfassen, geht es für ihn um „responsible vaping“. eGarage hat sich mit Gerlach in Berlin zum Interview getroffen. Auch, weil er mit einem Bericht auf diesem Portal, in dem es hieß, Juul habe die Debatte um die E-Zigarette „vergiftet“, überhaupt nicht einverstanden war. Aus seiner Sicht gibt es da einiges klarzustellen.
eGarage: Herr Gerlach, verstehen Sie, dass auch viele in der Dampfer-Community nicht gerade begeistert waren, als es vergangenes Jahr hieß, die kleinen E-Zigaretten von Juul kämen auch hier auf den Markt? Das Image und die Debatten aus den USA, die auch vom riesigen Erfolg Juuls ausgelöst wurden, kann man hier nicht unbedingt gut gebrauchen.
Tobias Gerlach: Ich kann gut nachvollziehen, dass der Markteintritt von Juul in Deutschland in der Öffentlichkeit zu besorgten Fragen Anlass gegeben hat. Keine Frage: Wir haben kurz nach dem Verkaufsstart 2015 in den USA einen Fehler gemacht, indem wir eine unglückliche Werbekampagne gestartet haben, mit der der Eindruck entstand, wir wollten uns an Jugendliche richten. De facto war das nie unser Ziel. Juul wurde ausschließlich für erwachsene Raucher entwickelt und hat nichts, aber auch gar nichts in den Händen von Jugendlichen oder erwachsenen Nichtrauchern verloren. Wir haben aus diesen Erfahrungen gelernt. Schon ein Jahr später, 2016, wurde massiv umgesteuert. Das Marketing wird seitdem sehr genau darauf geprüft, dass es sich nur an erwachsene Raucher über 30 Jahre richtet. Das ist unsere Zielgruppe. In Deutschland gilt das übrigens von Tag eins an, seit unserem Verkaufsstart am 19. Dezember 2018.
Moment: Gerade hat eine wissenschaftliche Studie nachgewiesen, dass auch später noch auf der sozialen Plattform Instagram massiv fragwürdige Juul-Werbung verbreitet wurde, die sich an Jugendliche richtet.
Diese Studie hat uns geärgert, da die Sachverhalte missverständlich dargestellt wurden. Von den knapp 15.000 untersuchten Instagram Posts stammen gerade einmal acht von Juul selbst, fast alle davon waren Testimonials von ehemaligen Rauchern – alle anderen Posts stammen von Dritten. Fakt ist, dass Juul Instagram und andere soziale Medien schon seit geraumer Zeit nicht mehr für werbliche Kommunikation nutzt, sondern im Gegenteil ein eigenes Team beschäftigt, das nichts anderes tut, als unverantwortliche Inhalte von Dritten aufzuspüren und aus dem Netz entfernen zu lassen. Mehr als 25.000 Instagram-Posts wurden bereits auf unser Betreiben vom Netz genommen. Von fragwürdiger Juul-Werbung auf Instagram kann also wirklich keine Rede sein.
Trotzdem wimmelt es vor Medienberichten, die über eine Juul-Epidemie an amerikanischen High-Schools berichten. In den USA ist die Stimmung gegen Sie gekippt, es droht sogar der Entzug der Marktzulassung.
Zunächst eine Klarstellung: Alle im Markt befindlichen Produkte müssen bis Mitte 2020 ihre Unterlagen bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA einreichen, innerhalb eines weiteren Jahres wird dann über die Marktfähigkeit entschieden. Das gilt für alle Hersteller von E-Zigaretten in den USA – nicht nur für Juul.
Fakt ist außerdem, dass die überwältigende Mehrheit unserer Kunden auch in den USA volljährige, erwachsene Raucher sind, denen wir mit unserem Produkt den Umstieg erleichtern. Aktuelle Marktdaten aus den USA zeigen, dass der Umsatz mit Tabakzigaretten dort zuletzt um mehr als elf Prozent eingebrochen ist – mehr als jemals zuvor. Dieser Rückgang ist maßgeblich auf den Markterfolg von Juul zurückzuführen.
Zugleich besorgt uns natürlich die Nutzung unserer Produkte durch Jugendliche in den USA. Das ist für uns komplett inakzeptabel. Wir haben daher einen sehr weitreichenden Aktionsplan zum Jugendschutz aufgelegt – von verschärften Alterskontrollen beim Online-Verkauf bis hin zu Testkäufen im Handel. Wir verzichten außerdem weltweit auf die Nutzung von sozialen Medien. Unser Marketing richtet sich ausschließlich an erwachsene Raucher über 30 Jahre.
Und in Deutschland? Wie wollen Sie Juul hier „jugendsicher“ machen?
Der Jugendschutz ist auch für uns in Deutschland eine Top-Priorität. Wir gehen dabei über die gesetzlichen Vorgaben sowie die Selbstverpflichtungen der Branche zum Teil deutlich hinaus. So machen wir keine Werbung im 200 Meter Umkreis von Schulen – darauf achten wir sehr genau. Wir drucken freiwillig zusätzliche Warnhinweise auf unsere Verpackungen und Verkaufs-Materialien, wie etwa das 18+-Zeichen. Unsere aktuellen Werbemotive, die alleine das Produkt zeigen, sind ausgesprochen nüchtern, fast schon langweilig. Im Herbst werden wir Raucher zeigen, die erkennbar über 30 Jahre alt sind und über ihren Umstieg berichten. Und schließlich stecken wir einen Millionenbetrag in ein enorm ehrgeiziges Testkaufprogramm.
Was bedeutet das genau?
Bis Ende 2019 werden wir rund 12.000 Testkäufe im Handel durchführen – mehr als die gesamte deutsche Konsumgüterindustrie zusammen. Beim ersten Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Alterskontrollen gibt es eine Verwarnung, beim zweiten Mal wird der jeweilige Händler für sechs Monate gesperrt. Beim dritten Mal droht die dauerhafte Sperre. Zudem schulen wir Händler zum Thema Jugendschutz.
Wie viele schwarze Schafe gibt es denn?
Offen gestanden derzeit noch mehr, als uns lieb ist – das gilt übrigens auch für andere altersbeschränkte Produktkategorien wie Alkohol. Das liegt auch daran, dass der Umgang mit Alterskontrollen sonst kaum überprüft wird, weder von staatlicher Seite noch von den Alkohol- und Zigarettenherstellern. Es soll nicht vermessen klingen, aber kein anderes Unternehmen in Deutschland führt Testkäufe so umfangreich, dauerhaft und konsequent durch wie Juul Labs. Wir meinen es ernst. Wir wollen, dass das Bewusstsein für den Jugendschutz im Handel insgesamt weiter gestärkt wird. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die große Mehrheit der Händler den Jugendschutz heute schon ernst nimmt und damit verantwortlich umgeht.
Jugendliche mal außen vor: Ein häufig formulierter Vorwurf gegen Juul ist, dass die kleinen Geräte eher ergänzend zum Rauchen genutzt werden – und nicht als echtes Ausstiegsmittel.
Unsere Untersuchungen in den USA zeigen genau das Gegenteil: Knapp die Hälfte aller Juul-Nutzer steigen innerhalb von wenigen Monaten komplett auf Juul um – und rauchen dann keine Zigaretten mehr. Das ist eine sehr gute Quote im Vergleich zu anderen E-Zigaretten und eine herausragende Quote im Vergleich zu vielen anderen Hilfsmitteln zum Rauchstopp. Glauben Sie mir: Wir wollen keine Dual-User. Wir wollen den kompletten Rauchstopp unserer Kunden.
Wie glaubwürdig ist das, wenn sich der Tabakkonzern Altria mit 35 Prozent an Juul beteiligt hat, wie Ende vergangenen Jahres bekannt wurde?
Wir sind davon überzeugt, dass die Partnerschaft mit Altria uns helfen wird, unser Ziel noch schneller zu erreichen – nämlich eine tabakfreie Welt zu schaffen und erwachsenen Rauchern eine weniger schädliche Alternative zu bieten. So sieht die Vereinbarung mit Altria unter anderem vor, dass künftig jeder Marlboro-Schachtel in den USA [Anmerkung d Red: Dies gilt nur für die USA, nicht für Europa] ein Beipackzettel beiliegt mit der Aufforderung, auf Juul umzusteigen. Mal ehrlich: Direkter können Sie erwachsene Raucher nicht erreichen. Letzten Endes wird unser Erfolg davon abhängen, inwieweit es uns gelingt, unser Produkt in die Hände von erwachsenen Rauchern zu bekommen und zugleich von Jugendlichen fernzuhalten.