Da es bei mir für gefühlte fünf Stadtteile nur ein Geschäft für E-Teilchens gibt, ist dieser natürlich immer sehr sehr gut besucht.
Die Öffnungszeiten sind extrem kommod, aber wer dann um die Mittagszeit, da wird erst geöffnet, und dann noch am Wochenende kommt, muss schon echt Geduld mitbringen. Selbst mit drei Verkäufern ist die Schlange vor einem und nach einem beachtlich. Aber dafür bekommt man herrliche Geschichten zu hören, die einen sofort wieder versöhnen.
„Na ja, diese Warterei erinnert mich schon sehr an die Geschäfte kurz vor dem Fall der Mauer“, so der Mann hinter mir; der offensichtlich aus der ehemaligen DDR kam. „Damals gab es für so Haushaltsgegenstände wie Waschmaschinen halt nur ein Modell. Das hatte den Vorteil, dass eben immer die Ersatzteile – und die musste man permanent nachkaufen – fast immer vorrätig waren, wenn man früh genug mit dem Suchen anfing“, so sein Lob auf die Planwirtschaft.
„Aber bei der riesigen Auswahl und Vielfalt der angebotenen Waren jetzt ist das mit der Lagerhaltung schon schwieriger“, damit spielte er wohl auf einen Kunden an, der sein gewünschtes Ersatzteil für seine E-Zigarette bestellen lassen musste. „Dafür gibt es halt nun viel mehr unterschiedliche Sachen für eins zu auswählen“ und nickte leicht versonnen auf die Glasvitrine mit zahllosen verschieden E-Teilchen in mannigfaltigen Farben, Größen und Designs.
Die Schlange zollte ihm Beifall, was ihn sogleich ermunterte, mit seinen Betrachtungen zur Weltlage fortzufahren. Also, er würde nun seit einigen Monaten dampfen, aber das mit der Politik, das wäre ja schon ganz schlimm. Alle warteten nun gespannt auf seine Einordnung zum Ukraine-Konflikt oder zur neuen griechischen Regierung. Nein, so fuhr er fort, dass die – damit meinte er die Politiker – einem auch immer alles gleich vermiesen müssen.
Kaum hätten die E-Zigaretten ihren Siegeszug angetreten, schon müssten die in Berlin nach Dampfverboten schreien und – na klar, was Besseres fällt denen auch nicht mehr ein – über die Einführung von Tabaksteuern für Liquids nachdenken. Typisch. Jetzt waren die Umstehenden doch elektrisiert und stimmten ihm heftig und ihren Unmut äußernd zu. „Erst machen se Rauchverbote und dann wollen se auch noch Geld von uns“, so der einhellige Tenor. „Aber dass se den Kindern das Dampfen verbieten wollen, ist in Ordnung“. Auch hierzu überall Nicken und zustimmendes Gemurmel.
Die sind schon ganz gut drauf, die Dampfer.