Unabhängiges Informationsportal zur E-Zigarette
Nachrichten und Informationen aus Politik und Wissenschaft rund ums Dampfen seit 2014

„Mit dem Standardverdampfer lässt sich das Risiko verkleinern“
Die Aromen in E-Zigaretten sind in den Fokus geraten. Dr. Stefanie Scheffler vom Fraunhofer ITEM gibt im Interview Auskunft über die Unterschiede zwischen Einatmen und über den Mund konsumieren, sie schätzt ab, wie hoch die noch unentdeckten Risiken sein könnten und stellt den „Standardverdampfer“ vor, für den ihr Institut gerade Patente anmeldet.
Aromastoffe in Liquids für E-Zigaretten sind in aller Regel für Nahrungsmittel zugelassen, also die orale Aufnahme. Warum reicht das nicht als Siegel für die akzeptable gesundheitliche Verträglichkeit beim Einatmen, also inhalativ?
Inhalative Toxizität und orale Toxizität – die schädigenden Wirkungen – lassen sich nur eingeschränkt vergleichen. Für lokale Effekte, also solche, die nur einen bestimmten Bereich des Körpers betreffen, ist eine Schlussfolgerung von oral auf inhalativ nicht möglich, da sie spezifisch für die jeweilige „Route“ sind. Für systemische Effekte, also solche, die den gesamten Körper betreffen, unterscheidet sich die Toxizität, da die Absorption der aufgenommenen Substanz über den Magen und die Lunge variieren kann. Zusammengefasst: Die Wirkung nach dem Einatmen unterscheidet sich häufig klar von der Aufnahme auf über den Mund. Der sogenannte GRAS-Status für die Verträglichkeit als Lebensmittel, mit dem viele Hersteller von Liquids werben, ist demnach nicht geeignet, um Verträglichkeit beim Inhalieren zu garantieren. Das gleiche gilt für Zusatzstoffe, die zum Beispiel konservierend wirken.
Haben Sie ein eingängiges Beispiel?
Ja, Diacetyl – auch für E-Zigaretten längst verboten – ist bei oraler Einnahme in entsprechender Konzentration nicht sonderlich problematisch, es ist zum Beispiel im natürlichen Butteraroma enthalten, das unter anderem für Popcorn verwendet wird. Inhalativ und bei hoher Exposition verursacht es schwerste Lungenerkrankungen. Ein anderes Beispiel ist Sucralose, ein Süßungsmittel, das auch noch in einigen Liquids enthalten ist. Da muss man auch beim Kuchenbacken aufpassen: Ab 120 bis 130 Grad zerfällt Sucralose und bildet Chlorpropanole. Die sind sowohl oral als auch inhalativ problematisch, weil sie krebserregend sind. Man sieht: Schon das Erhitzen macht einen Unterschied. Und das findet in der E-Zigarette eben statt.
Wie ist der Unterschied im menschlichen Körper? Ist die Aufnahme über die Lunge eine ganz andere als über die Mund- und Magenschleimhäute?
Dadurch, dass es sich hier um ganz unterschiedliche Gewebetypen mit unterschiedlicher Struktur handelt, reagiert der Verdauungstrakt im Allgemeinen natürlich auch anders auf Substanzen und Reize als die Atemwege. Zum Beispiel gibt es in der Lunge Flimmerhärchen, die wichtig sind für die Funktion und die Gesundheit ebenso wie schleimbildende Zellen. Die Zellen, die Flimmerhärchen tragen, sind empfindlich und können verkümmern bei Belastungen – dann sinken die Selbstreinigungskräfte. Der Abwehrmechanismus der Lunge ist empfindlich und kann schnell gestört werden.
Wie groß ist die Gefahr, dass neben den bekannten Problemen – Stichwort verbotenes Diacetyl und Stichwort Sucralose, bei dem sich das Bundesinstitut für Risikobewertung bereits für ein Verbot ausspricht – gefährliche Überraschungen bei den Liquid-Aromen entdeckt werden?
Erst einmal muss man sagen, dass die Konzentration von Aromen nicht besonders hoch ist in den Liquids, in der Regel wenige Prozent Anteil. Die Einzelkomponenten sind dann noch einmal deutlich geringer konzentriert. Bei vielen Stoffen wird es also in der gesundheitlichen Bewertung eine große Rolle spielen, dass die Mengen nicht gerade hoch sind, weil dann bestimmte Schwellenwerte nicht überschritten werden. Das gilt aber nicht für alle Stoffe. Genotoxische, also erbgutverändernde Stoffe, unterliegen keinem Schwellenwert, sie können auch bei niedrigen Konzentrationen ihre schädigende Wirkung entfalten. Das Gleiche wird auch für karzinogene Stoffe angenommen. Zu Ihrer Frage: Es ist nicht auszuschließend, dass es noch einige solcher Substanzen gibt, die ein erhebliches Risiko für die Verbraucher darstellen.
Also ist noch mit Überraschungen zu rechnen?
Letztlich kann ich keine Abschätzung abgeben, aber bei vielen Hundert Aromastoffen, die für E-Zigaretten verwendet werden, ist mit einigen neuen Erkenntnissen über Toxizitäten zu rechnen, ja. Der Umfang ist wirklich im Vorhinein nicht seriös eingrenzbar aufgrund der enormen Produktvielfalt.
Die Hersteller sind doch schon verpflichtet, ihre Produkte zu testen, auch ihre Liquids. Und das wird auch gemacht, einschließlich der Emissionen.
Die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften liegt beim Hersteller beziehungsweise Inverkehrbringer und die europäische Tabakrichtlinie TPD verpflichtet zum Testen, das ist richtig. Es gibt auch schon Protokolle, wie die Züge zu erfolgen haben. Es gibt aber keinen Standard für das Gerät, das dabei verwendet wird. Möglicherweise hat der Hersteller zum Beispiel eine besonders geringe Temperatur verwendet beim Test – niedriger als der Verbraucher in der Praxis. Es kann passieren, dass der Hersteller bestimmte Spaltprodukte nicht entdeckt.
Sie wollen der Sache auf den Grund gehen: Das Fraunhofer ITEM entwickelt einen Standardverdampfer. Was hat es damit auf sich?
Der Standardverdampfer, an dem wir arbeiten, ist ein Laborgerät zum standardisierten Verdampfen von Liquids. Er kann ein breites Spektrum von Temperaturen abdecken und das Verhalten eines E-Liquids in einer Vielzahl von Situationen untersuchen. Damit wäre dann sichergestellt, dass die Bedingungen einheitlich, aber auch realistisch sind. Denn natürlich werden wir nicht mit 1000 Grad Celsius messen, dann findet ein Verbrennungsprozess statt. Ziel ist es auch, dass der Standardverdampfer die Bedingungen in unterschiedlichsten E-Zigaretten adäquat abbilden kann, also zum Beispiel die jeweiligen Temperaturspitzen. Daran arbeitet ein interdisziplinäres Team, mit Ingenieurin und Analytikern. Ich als Chemikerin kümmere mich um die Risikobewertung.
Ein Nebeneffekt könnte sein, dass Sie mit dem Standardverdampfer eine sichere Betriebstemperatur entdecken, ab der es vielfach problematisch wird.
Ja, das könnte ein Ergebnis aus Untersuchungen mit dem Standardverdampfer sein.
Nach welchen Normen richtet sich der Standardverdampfer?
Die Entwicklung geschieht aktuell zunächst unabhängig von Vorgaben von Organisationen, um einen eigenen Standard zu schaffen. Allerdings arbeiten wir bei der Entwicklung und Validierung natürlich nach verschiedensten internen Laborvorschriften und nach guter wissenschaftlicher Praxis. Ob und wie sich das am Markt durchsetzt oder ob der Standardverdampfer sogar vorgeschrieben wird, müssen wir abwarten.
Wie holen Sie die Entwicklungskosten wieder herein?
Wir, also das Fraunhofer ITEM, melden das Gerät gerade zum Patent an. Wer es verwenden will, auch in anderen Labors oder für einen regulatorischen Kontext, kann es lizenzieren. Auch staatliche Stellen könnten somit den Standardverdampfer nutzen, um Risiken besser bewerten zu können.
Können Sie die Technik ein bisschen genauer vorstellen?
Da halten wir uns etwas bedeckt, da wir ja noch in der Entwicklung sind und das Patentverfahren noch läuft. Hoffentlich können wir im September dann schon mehr sagen.
Gibt es Konkurrenten?
Wir haben die Patent-Konkurrenzsituation natürlich fortlaufend im Blick. Die Patentrecherche zu Beginn des Projektes hat allerdings keine Treffer ergeben. Von daher sind uns aktuell keine konkurrierenden Projekte bekannt.
Noch einmal zurück zu den Risiken: Mit dem Wissen um die nicht vollständigen Kenntnisse über Aromen – wie würden Sie aus heutiger Sicht die E-Zigarette im Vergleich zum Tabakrauchen bewerten?
Aus meiner Sicht ist es inzwischen ein etablierter Konsens, dass die E-Zigarette deutlich weniger schädlich ist als die Tabakzigarette, trotz verbleibender Unsicherheiten bei den Aromen. Die Basen-Produkte, also Propylenglycol und Glycerin sowie gegebenenfalls Nikotin, sind inzwischen relativ gut erforscht. Sie sind nicht stark toxisch und nicht karzinogen. Und Aromen sind wie gesagt nur in recht geringer Konzentration enthalten. Insgesamt besteht kein Zweifel, dass es zumindest ein deutlich sichereres Produkt ist. Im Zigarettenrauch sind allein um die 70 krebserregende Stoffe. Andererseits wird Dampfen nie gesund sein. Der Verbraucher muss sich entscheiden, ob er dieses Restrisiko eingehen möchte. Mit dem Standardverdampfer und einer guten Regulierung lässt sich das Risiko jedoch noch verkleinern.
Würden Sie Dampfern empfehlen, den Aromengebrauch zu minimieren um das Risiko zu senken?
Risiko ist immer ein Quotient aus der Dauer der Exposition und der Konzentration der entsprechenden Substanz. Ganz allgemein kann man also sagen, dass bei sinkender Konzentration der zu betrachtenden Substanz auch das Risiko sinkt. Allerdings gibt es, wie oben schon diskutiert, keinen Schwellenwert für genotoxische oder krebserregende Substanzen. Darüber hinaus ist die Toxizität von Mischungen oft auch nur schwer einzuschätzen. Hier können zum Beispiel synergistische Effekte auftreten, dies sind Wechselwirkungen, die vorhandene Effekte multiplizieren. Aber prinzipiell gilt natürlich: Je weniger Aromen im Liquid vorhanden sind, desto geringer ist auch das resultierende Risiko.
Sollte die Politik Aromen noch stärker regulieren? Die Gefahr dabei ist, dass E-Zigaretten dann als Rauchstopp-Möglichkeit nicht mehr so attraktiv sind.
Eine klare Antwort ist hier leider schwierig möglich. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Politik die Regulierung der Aromen noch einmal verschärft, sollten im Laufe der Zeit durch die eingesetzten Analysensysteme weitere stark giftige Stoffe entdeckt werden. Letztlich wird dann aber so oder so bei Restrisiken bleiben, die jeder Verbraucher für sich selbst abwägen muss. Möglichst gut informiert sollte er dabei aber sein, das ist aus meiner Sicht entscheidend. Auch dazu möchten wir mit dem Standardverdampfer beitragen.
Dr. Stefanie Scheffler forscht und arbeitet am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin, kurz ITEM. Die ausgebildete Chemikerin ist dort im Department Chemical Risk Assessment tätig. Sie war auch bei der 7. eGarage Insight im Juni zu Gast.
MEISTGELESEN

egarage.de
egarage.de ist die unabhängige Informationsquelle zur E-Zigarette: Bei uns gibt es News über Politik,
3 days ago
10. eGarage Insight: Mit Steuern richtig steuern - Unabhängiges Informationsportal zur E-Zigarette
www.egarage.de
Wie wirkt sich die vergangenes Jahr eingeführte Steuer auf E-Zigaretten-Liquids aus? Und wie wird im Bundestag derzeit darüber gedacht, gibt [...]1 week ago
E-Zigarette beim Rauchstopp knapp vor Medikamenten - Unabhängiges Informationsportal zur E-Zigarette
www.egarage.de
Dass E-Zigaretten beim Rauchstopp helfen, ist wissenschaftlich gut belegt. Zusammengefasst werden die Ergebnisse regelmäßig von sogenannten Cochrane-Reviews zum Thema. Die [...]2 weeks ago
WHO hat neues Ziel: die E-Zigarette - Unabhängiges Informationsportal zur E-Zigarette
www.egarage.de
Panama hat nicht nur John le Carré für sein Buch, den Schneider von Panama, inspiriert, es wird auch der Austragungsort [...]VERANSTALTUNGEN
WERBUNG

„Mit dem Standardverdampfer lässt sich das Risiko verkleinern“
Die Aromen in E-Zigaretten sind in den Fokus geraten. Dr. Stefanie Scheffler vom Fraunhofer ITEM gibt im Interview Auskunft über die Unterschiede zwischen Einatmen und über den Mund konsumieren, sie schätzt ab, wie hoch die noch unentdeckten Risiken sein könnten und stellt den „Standardverdampfer“ vor, für den ihr Institut gerade Patente anmeldet.
Aromastoffe in Liquids für E-Zigaretten sind in aller Regel für Nahrungsmittel zugelassen, also die orale Aufnahme. Warum reicht das nicht als Siegel für die akzeptable gesundheitliche Verträglichkeit beim Einatmen, also inhalativ?
Inhalative Toxizität und orale Toxizität – die schädigenden Wirkungen – lassen sich nur eingeschränkt vergleichen. Für lokale Effekte, also solche, die nur einen bestimmten Bereich des Körpers betreffen, ist eine Schlussfolgerung von oral auf inhalativ nicht möglich, da sie spezifisch für die jeweilige „Route“ sind. Für systemische Effekte, also solche, die den gesamten Körper betreffen, unterscheidet sich die Toxizität, da die Absorption der aufgenommenen Substanz über den Magen und die Lunge variieren kann. Zusammengefasst: Die Wirkung nach dem Einatmen unterscheidet sich häufig klar von der Aufnahme auf über den Mund. Der sogenannte GRAS-Status für die Verträglichkeit als Lebensmittel, mit dem viele Hersteller von Liquids werben, ist demnach nicht geeignet, um Verträglichkeit beim Inhalieren zu garantieren. Das gleiche gilt für Zusatzstoffe, die zum Beispiel konservierend wirken.
Haben Sie ein eingängiges Beispiel?
Ja, Diacetyl – auch für E-Zigaretten längst verboten – ist bei oraler Einnahme in entsprechender Konzentration nicht sonderlich problematisch, es ist zum Beispiel im natürlichen Butteraroma enthalten, das unter anderem für Popcorn verwendet wird. Inhalativ und bei hoher Exposition verursacht es schwerste Lungenerkrankungen. Ein anderes Beispiel ist Sucralose, ein Süßungsmittel, das auch noch in einigen Liquids enthalten ist. Da muss man auch beim Kuchenbacken aufpassen: Ab 120 bis 130 Grad zerfällt Sucralose und bildet Chlorpropanole. Die sind sowohl oral als auch inhalativ problematisch, weil sie krebserregend sind. Man sieht: Schon das Erhitzen macht einen Unterschied. Und das findet in der E-Zigarette eben statt.
Wie ist der Unterschied im menschlichen Körper? Ist die Aufnahme über die Lunge eine ganz andere als über die Mund- und Magenschleimhäute?
Dadurch, dass es sich hier um ganz unterschiedliche Gewebetypen mit unterschiedlicher Struktur handelt, reagiert der Verdauungstrakt im Allgemeinen natürlich auch anders auf Substanzen und Reize als die Atemwege. Zum Beispiel gibt es in der Lunge Flimmerhärchen, die wichtig sind für die Funktion und die Gesundheit ebenso wie schleimbildende Zellen. Die Zellen, die Flimmerhärchen tragen, sind empfindlich und können verkümmern bei Belastungen – dann sinken die Selbstreinigungskräfte. Der Abwehrmechanismus der Lunge ist empfindlich und kann schnell gestört werden.
Wie groß ist die Gefahr, dass neben den bekannten Problemen – Stichwort verbotenes Diacetyl und Stichwort Sucralose, bei dem sich das Bundesinstitut für Risikobewertung bereits für ein Verbot ausspricht – gefährliche Überraschungen bei den Liquid-Aromen entdeckt werden?
Erst einmal muss man sagen, dass die Konzentration von Aromen nicht besonders hoch ist in den Liquids, in der Regel wenige Prozent Anteil. Die Einzelkomponenten sind dann noch einmal deutlich geringer konzentriert. Bei vielen Stoffen wird es also in der gesundheitlichen Bewertung eine große Rolle spielen, dass die Mengen nicht gerade hoch sind, weil dann bestimmte Schwellenwerte nicht überschritten werden. Das gilt aber nicht für alle Stoffe. Genotoxische, also erbgutverändernde Stoffe, unterliegen keinem Schwellenwert, sie können auch bei niedrigen Konzentrationen ihre schädigende Wirkung entfalten. Das Gleiche wird auch für karzinogene Stoffe angenommen. Zu Ihrer Frage: Es ist nicht auszuschließend, dass es noch einige solcher Substanzen gibt, die ein erhebliches Risiko für die Verbraucher darstellen.
Also ist noch mit Überraschungen zu rechnen?
Letztlich kann ich keine Abschätzung abgeben, aber bei vielen Hundert Aromastoffen, die für E-Zigaretten verwendet werden, ist mit einigen neuen Erkenntnissen über Toxizitäten zu rechnen, ja. Der Umfang ist wirklich im Vorhinein nicht seriös eingrenzbar aufgrund der enormen Produktvielfalt.
Die Hersteller sind doch schon verpflichtet, ihre Produkte zu testen, auch ihre Liquids. Und das wird auch gemacht, einschließlich der Emissionen.
Die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften liegt beim Hersteller beziehungsweise Inverkehrbringer und die europäische Tabakrichtlinie TPD verpflichtet zum Testen, das ist richtig. Es gibt auch schon Protokolle, wie die Züge zu erfolgen haben. Es gibt aber keinen Standard für das Gerät, das dabei verwendet wird. Möglicherweise hat der Hersteller zum Beispiel eine besonders geringe Temperatur verwendet beim Test – niedriger als der Verbraucher in der Praxis. Es kann passieren, dass der Hersteller bestimmte Spaltprodukte nicht entdeckt.
Sie wollen der Sache auf den Grund gehen: Das Fraunhofer ITEM entwickelt einen Standardverdampfer. Was hat es damit auf sich?
Der Standardverdampfer, an dem wir arbeiten, ist ein Laborgerät zum standardisierten Verdampfen von Liquids. Er kann ein breites Spektrum von Temperaturen abdecken und das Verhalten eines E-Liquids in einer Vielzahl von Situationen untersuchen. Damit wäre dann sichergestellt, dass die Bedingungen einheitlich, aber auch realistisch sind. Denn natürlich werden wir nicht mit 1000 Grad Celsius messen, dann findet ein Verbrennungsprozess statt. Ziel ist es auch, dass der Standardverdampfer die Bedingungen in unterschiedlichsten E-Zigaretten adäquat abbilden kann, also zum Beispiel die jeweiligen Temperaturspitzen. Daran arbeitet ein interdisziplinäres Team, mit Ingenieurin und Analytikern. Ich als Chemikerin kümmere mich um die Risikobewertung.
Ein Nebeneffekt könnte sein, dass Sie mit dem Standardverdampfer eine sichere Betriebstemperatur entdecken, ab der es vielfach problematisch wird.
Ja, das könnte ein Ergebnis aus Untersuchungen mit dem Standardverdampfer sein.
Nach welchen Normen richtet sich der Standardverdampfer?
Die Entwicklung geschieht aktuell zunächst unabhängig von Vorgaben von Organisationen, um einen eigenen Standard zu schaffen. Allerdings arbeiten wir bei der Entwicklung und Validierung natürlich nach verschiedensten internen Laborvorschriften und nach guter wissenschaftlicher Praxis. Ob und wie sich das am Markt durchsetzt oder ob der Standardverdampfer sogar vorgeschrieben wird, müssen wir abwarten.
Wie holen Sie die Entwicklungskosten wieder herein?
Wir, also das Fraunhofer ITEM, melden das Gerät gerade zum Patent an. Wer es verwenden will, auch in anderen Labors oder für einen regulatorischen Kontext, kann es lizenzieren. Auch staatliche Stellen könnten somit den Standardverdampfer nutzen, um Risiken besser bewerten zu können.
Können Sie die Technik ein bisschen genauer vorstellen?
Da halten wir uns etwas bedeckt, da wir ja noch in der Entwicklung sind und das Patentverfahren noch läuft. Hoffentlich können wir im September dann schon mehr sagen.
Gibt es Konkurrenten?
Wir haben die Patent-Konkurrenzsituation natürlich fortlaufend im Blick. Die Patentrecherche zu Beginn des Projektes hat allerdings keine Treffer ergeben. Von daher sind uns aktuell keine konkurrierenden Projekte bekannt.
Noch einmal zurück zu den Risiken: Mit dem Wissen um die nicht vollständigen Kenntnisse über Aromen – wie würden Sie aus heutiger Sicht die E-Zigarette im Vergleich zum Tabakrauchen bewerten?
Aus meiner Sicht ist es inzwischen ein etablierter Konsens, dass die E-Zigarette deutlich weniger schädlich ist als die Tabakzigarette, trotz verbleibender Unsicherheiten bei den Aromen. Die Basen-Produkte, also Propylenglycol und Glycerin sowie gegebenenfalls Nikotin, sind inzwischen relativ gut erforscht. Sie sind nicht stark toxisch und nicht karzinogen. Und Aromen sind wie gesagt nur in recht geringer Konzentration enthalten. Insgesamt besteht kein Zweifel, dass es zumindest ein deutlich sichereres Produkt ist. Im Zigarettenrauch sind allein um die 70 krebserregende Stoffe. Andererseits wird Dampfen nie gesund sein. Der Verbraucher muss sich entscheiden, ob er dieses Restrisiko eingehen möchte. Mit dem Standardverdampfer und einer guten Regulierung lässt sich das Risiko jedoch noch verkleinern.
Würden Sie Dampfern empfehlen, den Aromengebrauch zu minimieren um das Risiko zu senken?
Risiko ist immer ein Quotient aus der Dauer der Exposition und der Konzentration der entsprechenden Substanz. Ganz allgemein kann man also sagen, dass bei sinkender Konzentration der zu betrachtenden Substanz auch das Risiko sinkt. Allerdings gibt es, wie oben schon diskutiert, keinen Schwellenwert für genotoxische oder krebserregende Substanzen. Darüber hinaus ist die Toxizität von Mischungen oft auch nur schwer einzuschätzen. Hier können zum Beispiel synergistische Effekte auftreten, dies sind Wechselwirkungen, die vorhandene Effekte multiplizieren. Aber prinzipiell gilt natürlich: Je weniger Aromen im Liquid vorhanden sind, desto geringer ist auch das resultierende Risiko.
Sollte die Politik Aromen noch stärker regulieren? Die Gefahr dabei ist, dass E-Zigaretten dann als Rauchstopp-Möglichkeit nicht mehr so attraktiv sind.
Eine klare Antwort ist hier leider schwierig möglich. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die Politik die Regulierung der Aromen noch einmal verschärft, sollten im Laufe der Zeit durch die eingesetzten Analysensysteme weitere stark giftige Stoffe entdeckt werden. Letztlich wird dann aber so oder so bei Restrisiken bleiben, die jeder Verbraucher für sich selbst abwägen muss. Möglichst gut informiert sollte er dabei aber sein, das ist aus meiner Sicht entscheidend. Auch dazu möchten wir mit dem Standardverdampfer beitragen.
Dr. Stefanie Scheffler forscht und arbeitet am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin, kurz ITEM. Die ausgebildete Chemikerin ist dort im Department Chemical Risk Assessment tätig. Sie war auch bei der 7. eGarage Insight im Juni zu Gast.
MEISTGELESEN

VERANSTALTUNGEN
WERBUNG
