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Foto: BEZ_Alisa / Shutterstock.com

Krimi-Dinner “Tabaksteuermodernisierungsgesetz”

14. June 2021By JJS

Dieser Gastbeitrag stammt von einem Dampfer, der die Branche und Community seit Jahren privat genau beobachtet. Aus beruflichen Gründen möchte er anonym bleiben. Der Name ist eGarage bekannt.

Wer kennt es nicht? Das Event Dinner.




Für einen Abend kann man sich als Paar mit seinem oder seiner Liebsten ein besonderes Dinner gönnen.

Man sitzt in angenehmer Gesellschaft anderer Paare an einem “runden Tisch” und ringt gemeinsam als Team darum den Übeltäter zu finden.

Die vergangenen Wochen und Monate waren viele Dampfer zu dem Krimi-Dinner „TabStMoG“ eingeladen. Die Eckdaten dazu:

Wir kannten alle den Anlass für die Tätersuche. Das Tabaksteuermodernisierungsgesetz soll kommen. Wie genau die Gesetzgebung, vulgo das Verbrechen (oder ist es doch keines?), am Ende dann tatsächlich ausgehen würde, wusste keiner von uns so genau. Ein offenes Ende. Ob es ein Ende mit Schrecken war oder ein Schrecken ohne Ende, dieser Frage widmen wir uns zum Ausklang wieder.

Wir kannten einen Teil der Protagonisten, die uns diesen Krimi vorspielen werden (Händlerverbände wie zum Beispiel VdeH, BfTG, BVTE, staatliche oder halbstaatliche Einrichtungen wie Deutsches Krebsforschungszentrum, deutsche Krebshilfe, aber auch und allen voran unsere politischen Parteien. (“Wir kennen Sie, wir lieben sie”. Augenzwinkern in die Tisch-Runde).

Einen anderen Teil haben viele erst näher begutachtet, als wir schon mitten in dem Geschehen waren, Übeltäter ausfindig zu machen: so zum Beispiel Sebastian Brehm (CSU), Michael Schrodi (SPD), Lothar Binding (SPD), Stefan Schmidt (Die Grünen), Till Mansmann (FDP), Jan Mücke (FDP und BVTE).

Im Superwahljahr ging es drunter und drüber

Und jeder rang um seine Indizienkette und seine Argumente, die er oder sie bei diesem Tabaksteuermodernisierungsgesetz gerne berücksichtigt sehen wollte. Ganz anderen Protagonisten ging es, wie in der Socialmedia Sprache heißt, einzig um das Erringen von Followern und die Vertretung der Interessen dieser. Dass es dabei drunter und drüber geht, überraschte nicht. Wir befinden uns im Superwahljahr, und das Einzige was beständig ist, ist die Unbeständigkeit.




Das Krimi-Dinner ist fast vorbei. Man hat die Zeit mit vielen gemischten Gefühlen, einem Auf und Ab und mal mit Spannung, mal mit Anspannung begleitet. Es wurde geunkt, applaudiert, ausgebuht und mit Nebelkerzen geworfen, auch stockte der Atem und in Social Media wurde sich überschlagen und überworfen in alle Richtungen.

Zugegeben, manch eine Methode, mit der die geladene Gesellschaft versucht wurde in den Bann zu ziehen, ging so sehr auf zum Einen in Beifall, zum Anderen in schallendes Gelächter, denn selbst die Sendung mit der Maus wurde von einem der Gastgeber aus dem Hut gezaubert, um sein Narrativ loszuwerden. Dieses kontroverse Stilmittel sorgte inmitten des illustren Krimi-Dinners und inmitten der Verhandlungen um das TabStMoG für eine noch hitzigere Tätersuche. Die Gastgeber schienen jeder für sich sichtlich bemüht klarzustellen, es gehe ihm um nichts als die Lösung des Rätsels und natürlich die nachfolgende Empörung oder sogar Bestrafung.

Mit etwas Abstand und nachdem die schwere Geburt des TabStMoG vorbei ist, kann man darüber fast schmunzeln. Man kann den Gästen nicht vorwerfen, sie hätten nicht alle mit Händen und Füssen versucht, die Gesellschaft für ihr Narrativ zu entflammen und damit weitere „Anhängerschaft“ zu mobilisieren.




Nun ist die Sache vollbracht, das TabStMoG liegt bis auf die Zustimmung des Bundesrats (eine Formsache) gerichtsfest vor. Und ein gewichtiger Satz laut:

„Substitute für Tabakwaren …sind ….die zum Konsum eines mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet sind.“

Diese Steuern werden für nikotinfreie und nikotinhaltige Liquids zum Tragen kommen:

– 01. 07. 2022 bis 31.12.2023: 0,16 Euro je Milliliter;
– 01. 01. 2024 bis 31.12. 2024: 0,20 Euro je Milliliter;
– 01. 01. 2025 bis 31.12.2025 0,26 Euro je Milliliter;
– ab 01. 01. 2026 0,32 Euro je Milliliter

An der sogenannten „Zweckbindung“ entfacht sich die Frage von Sein und Nichtsein im Netz heftig. Was genau ist eine Substanz, die zum Dampfen „geeignet“ ist? Erneut wurden wieder verschiedene Szenarien des Weltuntergangs heraufbeschworen.

Das Ende der „Base“ im Dampfershop?

Es wurde der Schlachtruf, die Base könnte bei einem Preis von 320 Euro pro Liter landen, in die Prärie entlassen. Der Weltuntergang 4.0 rollte auf einige Dampfer wie eine unaufhaltsame Lawine zu. Die ersten riefen schon: Dann rauche ich eben wieder. Die nächsten wollten die Nachbarländer erkunden und noch ein paar wollten gar nichts. Sie kaufen schon lange beim Pferdehandel, ganz legal und in Deutschland. Selbst wenn das so wäre, dann im letzten Jahr und somit ab 2026, also erst in vier Jahren. Ein Liter Base wäre nach dieser Logik dann in circa einem Jahr erst bei der Steuer von 160 Euro angelangt. Selbst bis dahin wären noch zwölf Monate Zeit zu reagieren. Nicht wenige Dampfer waren angestachelt und empört. Was ein Theater.

Zugegeben für einen kurzen Moment ging es mir auch so. Im Eifer des Gefechts vollzog sich die im psychoanalytischen Sinne bekannte „Übertragung und Gegenübertragung“, und man sah den Weltuntergang der Dampfer nahen. Schließlich ging es fortan darum, den „Täter“ dieses Krimis ausfindig zu machen. Aber ist es wirklich ein Mörder, der Mörder des Dampfens in Deutschland?

Um das zu beantworten, muss noch eine Frage gestellt werden: Was ist Base? Die Dampfer bezeichnen damit ein Gemisch aus Propylenglykol (PG) und pflanzlichem Glycerin (VG) oder auch nur VG als Base. Die Mischungen sind sehr unterschiedlich. Zu den bekanntesten und am meisten nachgefragten Gemischen gehören 50/50, 70/30, 80/20 VPG.




Es gibt aber weit mehr Varianten, die auch zum Beispiel mit Koolada und Süßmittel und/oder Ethanol versetzt sind oder die traditionelle Base, die auch neben PG und VG noch Wasser enthält. Randsegmente, die auch als Base bezeichnet werden, gibt es also ebenfalls im Fachhandel. Einige Dampfer bevorzugen diese Gemische, um sich ihr Liquid nach individuellen Vorlieben bequem abzustimmen.

Diese Gemische sind im Prinzip nichts anderes als geschmacksloses und nikotinfreies Liquid. Bei den bisherigen Regulierungen ist die „Base“ nicht betroffen gewesen. Jedenfalls nicht dahingehend, einen Preissprung von eklatanter Höhe vollziehen oder von Seiten des Handels Steuerbanderolen dafür beanspruchen zu müssen. Kommt die Zweckbindung also hier zum Zug, dann fallen die fertigen Gemische an „Base“ aus dem Sortiment.

Was nach der Einschätzung mit etwas Abstand aber nicht ohne Weiteres aus dem Sortiment fallen könnte, wären separierte Gebinde mit jeweils PG und VG. Dann ist die „Base“ nicht eine Base, sondern ein Rohstoff. Ob dieser Rohstoff unter das Tabaksteuermodernisierungsgesetz fallen kann, erscheint zumindest mit weit mehr Fragezeichen versehen zu sein als die zur Verwendung gebrauchsfertigen „Basengemische“.

Für Konsumenten wäre aber selbst der schlimmste Fall kein Beinbruch. Der mittelständischen E-Zigarettenbranche würde dies viel mehr zu schaffen machen, wenn ein Produktsegment aus ihrem Angebot rausfällt. Der heutige Dampfer, der gut informiert und vernetzt ist, würde PG und VG ganz legal in anderen Handelssegmenten, ob das im Pferde-, im Tier oder im Chemiehandel ist, sei dahingestellt, zu dem gewöhnlichen Mehrwertsteuersatz erhalten.

Der scheinbar größte Weltuntergang ist mit etwas Abstand vielleicht doch nur etwas zerschlagenes Porzellan.

Nikotinshots steigen im Preis

Noch eine Wendung in dem Krimi: Obwohl der Weltuntergang 4.0 naht, solle man gleichzeitig als Konsument bitte bis kurz vor Ablauf der Fristen warten bis man Nikotinshots „bunkert“. Der Handel würde dann extra für uns Dampfer ordentliche Rabatte springen lassen. Der Handel, die neue Caritas der Dampfer? Das ist eher Abteilung Märchen, nicht Krimi.

Vermutlich wird es wie zur Einführung des Tabakerzeugnisgesetzes und der Tabakerzeugnisverordnung laufen. Kurz vor Ende der Fristen leerten sich die Lager der Händler mit Bunkerbase und wie das so auf einem echten Markt ist, wenn die Nachfrage hoch ist (das war sie zu dem Zeitpunkt), die Ware knapp, dann steigen die Preise und sinken natürlich nicht. Deswegen wäre die Herangehensweise Bunkern konstant über ein Jahr so viel wie möglich und das Bunkern nicht auf die letzten zwei Monate zu verschieben ökonomisch sinnvoller durchdacht. Rohstoffe sind in den letzten Wochen preislich angestiegen. Das hat die Preise von Nikotinshots bei einigen Händlern schon nach oben getrieben.

Der Traum von Convinience Produkten – Das Aus für Shake and Vapes?

Shortfills und Longfills: Darüber schreiben die Dampfer den Begriff Shake and Vape. Seit 01.01.2021 fallen diese Produkte auch unter die Bestimmungen des Tabakerzeugnisgesetzes und die Tabakerzeugnisverordnung. Die interessierten Dampfer der Filterblase wissen: Der mittelständische Betrieb bemüht sich noch um die flächendeckende Umsetzung.

Also: Sind Shortfills und Longfills „Substitute für Tabakwaren, die zum Konsum mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet sind?“

Die Antwort lautet: Wahrscheinlich schon.

Bei den Shortfills zumindest ist die Lage sehr eindeutig. Diese sind ein zum sofortigen Konsum geeignetes Produkt. Auch wenn dieses ein wenig intensiv sein würde. Es ist zum Konsum geeignet. Diese Produktkategorie dürfte sich in Zukunft vom Markt verabschieden. Das, was ohnehin nur ein Randsegment war und sich in Deutschland auf dem Markt nicht langfristig durchsetzen konnte, würde dann dem Wandel der Zeit weichen. Die wenigen Shortfill-Anbieter müssten sich dann einen Switch auf Longfills und/ oder gebrauchsfertige 10 Milliliter-Liquids überlegen.




Viele der Longfills – gerade die der kleinen Anbieter mit kleinen Batches für circa 14 Euro zu erwerben – enthalten 17 oder 30 ml Aroma (in PG aufgelöst, mit teilweise auch VG). Diese gestreckten Konzentrationen würden dann, sofern die Shake-and-Vape-Anbieter sich auf dem hart umkämpften Markt halten wollen und die Abfüllanlagen amortisiert werden müssen, auf ein Minimum von wahrscheinlich 10 ml reduziert werden und in Form von Bottle in Bottle angeboten werden. Bottle in Bottle bedeutet, eine 10-ml-Flasche Aroma wird in eine leere (große) Chubby-Gorilla-Flasche gesteckt.

Man kann aber auch Justitia herausfordern darüber zu entscheiden, ob 30 ml tatsächlich ein „Aroma“ sind oder, ob es sich hierbei um ein „Substitut für Tabakwaren handelt, das zum Konsum mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet ist“, wenn das „Aroma“ sich direkt in der Flasche befindet und es sich „nur“ um eine Dosierungsempfehlung des Herstellers handelt die Longfillflasche mit „Base“ und/ oder „Nikotinshots“ voll aufzugießen.

Bei den Pods ist die Steuererhöhung kaum spürbar

Der ursprüngliche Oberbegriff von Shake and Vape wird dadurch obsolet. Ein Shake and Vape ist ja wie der Name sagt: Schütteln und Dampfen, also ready to use oder fast ready to use. Ein Convenience Produkt ist es damit auch nicht. Die Anbieter von Shake and Vape oder besser Longfill werden deswegen aber wahrscheinlich nicht im überwiegenden Maße auf die (große) Chubbyflasche verzichten. Die Anlagen stehen da und sie wollen genutzt werden. Für ein 10ml Aroma wird der Kunde keine 14 Euro und schon gar nicht noch mehr zu zahlen bereit sein. Die Größe der Verpackung, in dem Fall die Chubbyflasche, setzt unbewusst einen psychologischen Effekt. Dem Grunde nach werden aber kleine 10-ml-Aromen sich von den „Bottle in Bottle“ Longfills in der Anwendung für den Konsumenten nicht unterscheiden. Genau genommen wären es eigentlich nicht mal mehr Longfills. Es wären dann einfach 10-ml-Aromen in einer leeren Chubbyflasche und 100 Prozent Do-it-yourself-Produkte mit einem Aufpreis.

Convenience bedeutet so viel wie Bequemlichkeit. Die wirklichen Convenience Produkte sind die gebrauchsfertigen 10-ml-Liquids und diese werden wie auch die Nikotinshots beginnend mit dem ersten Juli 2022 erstmalig mit 0,16 Euro/ml besteuert werden. Den Raucher, der gerade noch vor dem Fachhandel eine geraucht hat und dann den Fachhandel ab dem ersten Juli 2022 betritt, wird wahrscheinlich nicht gleich bei dem Preis aufschreien. Der ist noch anderes gewohnt, sofern er von der Verbrennungszigarette kommt. Weitere Convenience Produkte wie die prefilled Pods, zum Beispiel VUSE von Highendsmoke (British American Tobacco) werden bei dieser Zielgruppe kaum den Preisanstieg bemerken. Er ist bei maximal 2-ml-Pods mit wenigen Cents nicht zwingend ein Grund das Dampfen aufzugeben.

Viele Blicke in die Details des Tatvorgangs zeigen also ein differenziertes Bild. Die wirklich spannenden Fragen werden im Nachgang beantwortet: Wie werden es die Hersteller lösen und wie viele werden auf welche Variante in Zukunft in ihrem Sortiment umsteigen? Werden sie die Steuer voll auf die Dampfer übertragen oder wird auch an der Marge zurückgeschraubt? Wie sehen die Absatzzahlen nach einem ersten Jahr für diese Segmente Nikotinshots, Longfills und 10-ml-Liquids aus?

Denn zum ersten Mal wird es dann im Jahr 2023, wohlbemerkt wenn alles so kommen wird wie interpretiert, verlässliche Zahlen aufgrund der Steuerbanderolen geben. Alle bisherigen Zahlen waren Schätzungen ins Blaue hinein und nicht wirklich verlässlich. Was man leider nicht statistisch aufgreifen können wird, wie viele der Dampfer beziehen ihre Produkte bereits oder werden sich nach dem bevorstehenden Wandel dazu entschließen, ihre Produkte außerhalb des Fachhandels (dazu zählen Online- und Offline-Geschäfte) zu beziehen. Denn wenn Dampfer keine Convenience Hardware wie Fertigcoil Verdampfer oder Pods nutzen, sind sie praktisch als fortgeschrittene Dampfer bis auf den Kauf von Verdampfern, Akkuträgern und Nikotinshots auf die Branche gar nicht angewiesen. „Base“, Aromen, Draht, Watte und Akkus gibt es auch außerhalb des Fachhandels zu kaufen.

Man kann es auch positiv sehen: Die Dampfe wird bleiben

Kommen wir abschließend zu unserem TabStMoG. Der Tatablauf ist nun bekannt, und wir haben den Blick auf die Folgen geworfen. Aber was ist mit dem Täter? Fürs Erste ist er untergetaucht. Wie genau die Sache ablief, wer und warum im Finanzministerium die Idee gebar, dass es teuer werden soll, bleibt unklar. Ebenso, warum die SPD weitgehend stur bei ihrer Linie blieb und ob die Dampf-Protagonisten nun insgesamt (unabsichtlich) eher den Übeltätern halfen oder doch noch Schlimmeres verhindert haben.




Alle, die noch leben, können im Großen und Ganzen zufrieden sein. Wir haben uns alle gesorgt und amüsiert, aufgerieben, unserer Tischgesellschaft aufgeregt zugerufen und sie mit Vermutungen versorgt. Wie so manche Social-Media-Propheten von sich gaben, wird es zwar nicht gehen, nach der Steuer haben wir Dampfer nicht “unsere Ruhe”. Das Krimi-Dinner wird in anderer Konstellation fortgesetzt. Zwei größere Felder wie die Aromen und die Hardware stehen noch in der Pipeline. Dennoch, die E-Zigarette hat einen guten Umsatz über die Jahre hinbekommen und Vater Staat hat nicht so zugeschlagen, wie er in anderen Ländern zugeschlagen hat. Wir können es positiv sehen. Die 1,60 Euro im ersten Step werden „ideologisch“ schwer für die Älteren von uns, doch wer den ersten Schritt macht, wird meistens auch den zweiten Schritt machen. Aller Anfang ist immer schwer. Das Wichtigste ist: Die Dampfe wird weiter bleiben, und ich bleibe auch Dampfer.

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14. June 2021By JJS

Dieser Gastbeitrag stammt von einem Dampfer, der die Branche und Community seit Jahren privat genau beobachtet. Aus beruflichen Gründen möchte er anonym bleiben. Der Name ist eGarage bekannt.

Wer kennt es nicht? Das Event Dinner.




Für einen Abend kann man sich als Paar mit seinem oder seiner Liebsten ein besonderes Dinner gönnen.

Man sitzt in angenehmer Gesellschaft anderer Paare an einem “runden Tisch” und ringt gemeinsam als Team darum den Übeltäter zu finden.

Die vergangenen Wochen und Monate waren viele Dampfer zu dem Krimi-Dinner „TabStMoG“ eingeladen. Die Eckdaten dazu:

Wir kannten alle den Anlass für die Tätersuche. Das Tabaksteuermodernisierungsgesetz soll kommen. Wie genau die Gesetzgebung, vulgo das Verbrechen (oder ist es doch keines?), am Ende dann tatsächlich ausgehen würde, wusste keiner von uns so genau. Ein offenes Ende. Ob es ein Ende mit Schrecken war oder ein Schrecken ohne Ende, dieser Frage widmen wir uns zum Ausklang wieder.

Wir kannten einen Teil der Protagonisten, die uns diesen Krimi vorspielen werden (Händlerverbände wie zum Beispiel VdeH, BfTG, BVTE, staatliche oder halbstaatliche Einrichtungen wie Deutsches Krebsforschungszentrum, deutsche Krebshilfe, aber auch und allen voran unsere politischen Parteien. (“Wir kennen Sie, wir lieben sie”. Augenzwinkern in die Tisch-Runde).

Einen anderen Teil haben viele erst näher begutachtet, als wir schon mitten in dem Geschehen waren, Übeltäter ausfindig zu machen: so zum Beispiel Sebastian Brehm (CSU), Michael Schrodi (SPD), Lothar Binding (SPD), Stefan Schmidt (Die Grünen), Till Mansmann (FDP), Jan Mücke (FDP und BVTE).

Im Superwahljahr ging es drunter und drüber

Und jeder rang um seine Indizienkette und seine Argumente, die er oder sie bei diesem Tabaksteuermodernisierungsgesetz gerne berücksichtigt sehen wollte. Ganz anderen Protagonisten ging es, wie in der Socialmedia Sprache heißt, einzig um das Erringen von Followern und die Vertretung der Interessen dieser. Dass es dabei drunter und drüber geht, überraschte nicht. Wir befinden uns im Superwahljahr, und das Einzige was beständig ist, ist die Unbeständigkeit.




Das Krimi-Dinner ist fast vorbei. Man hat die Zeit mit vielen gemischten Gefühlen, einem Auf und Ab und mal mit Spannung, mal mit Anspannung begleitet. Es wurde geunkt, applaudiert, ausgebuht und mit Nebelkerzen geworfen, auch stockte der Atem und in Social Media wurde sich überschlagen und überworfen in alle Richtungen.

Zugegeben, manch eine Methode, mit der die geladene Gesellschaft versucht wurde in den Bann zu ziehen, ging so sehr auf zum Einen in Beifall, zum Anderen in schallendes Gelächter, denn selbst die Sendung mit der Maus wurde von einem der Gastgeber aus dem Hut gezaubert, um sein Narrativ loszuwerden. Dieses kontroverse Stilmittel sorgte inmitten des illustren Krimi-Dinners und inmitten der Verhandlungen um das TabStMoG für eine noch hitzigere Tätersuche. Die Gastgeber schienen jeder für sich sichtlich bemüht klarzustellen, es gehe ihm um nichts als die Lösung des Rätsels und natürlich die nachfolgende Empörung oder sogar Bestrafung.

Mit etwas Abstand und nachdem die schwere Geburt des TabStMoG vorbei ist, kann man darüber fast schmunzeln. Man kann den Gästen nicht vorwerfen, sie hätten nicht alle mit Händen und Füssen versucht, die Gesellschaft für ihr Narrativ zu entflammen und damit weitere „Anhängerschaft“ zu mobilisieren.




Nun ist die Sache vollbracht, das TabStMoG liegt bis auf die Zustimmung des Bundesrats (eine Formsache) gerichtsfest vor. Und ein gewichtiger Satz laut:

„Substitute für Tabakwaren …sind ….die zum Konsum eines mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet sind.“

Diese Steuern werden für nikotinfreie und nikotinhaltige Liquids zum Tragen kommen:

– 01. 07. 2022 bis 31.12.2023: 0,16 Euro je Milliliter;
– 01. 01. 2024 bis 31.12. 2024: 0,20 Euro je Milliliter;
– 01. 01. 2025 bis 31.12.2025 0,26 Euro je Milliliter;
– ab 01. 01. 2026 0,32 Euro je Milliliter

An der sogenannten „Zweckbindung“ entfacht sich die Frage von Sein und Nichtsein im Netz heftig. Was genau ist eine Substanz, die zum Dampfen „geeignet“ ist? Erneut wurden wieder verschiedene Szenarien des Weltuntergangs heraufbeschworen.

Das Ende der „Base“ im Dampfershop?

Es wurde der Schlachtruf, die Base könnte bei einem Preis von 320 Euro pro Liter landen, in die Prärie entlassen. Der Weltuntergang 4.0 rollte auf einige Dampfer wie eine unaufhaltsame Lawine zu. Die ersten riefen schon: Dann rauche ich eben wieder. Die nächsten wollten die Nachbarländer erkunden und noch ein paar wollten gar nichts. Sie kaufen schon lange beim Pferdehandel, ganz legal und in Deutschland. Selbst wenn das so wäre, dann im letzten Jahr und somit ab 2026, also erst in vier Jahren. Ein Liter Base wäre nach dieser Logik dann in circa einem Jahr erst bei der Steuer von 160 Euro angelangt. Selbst bis dahin wären noch zwölf Monate Zeit zu reagieren. Nicht wenige Dampfer waren angestachelt und empört. Was ein Theater.

Zugegeben für einen kurzen Moment ging es mir auch so. Im Eifer des Gefechts vollzog sich die im psychoanalytischen Sinne bekannte „Übertragung und Gegenübertragung“, und man sah den Weltuntergang der Dampfer nahen. Schließlich ging es fortan darum, den „Täter“ dieses Krimis ausfindig zu machen. Aber ist es wirklich ein Mörder, der Mörder des Dampfens in Deutschland?

Um das zu beantworten, muss noch eine Frage gestellt werden: Was ist Base? Die Dampfer bezeichnen damit ein Gemisch aus Propylenglykol (PG) und pflanzlichem Glycerin (VG) oder auch nur VG als Base. Die Mischungen sind sehr unterschiedlich. Zu den bekanntesten und am meisten nachgefragten Gemischen gehören 50/50, 70/30, 80/20 VPG.




Es gibt aber weit mehr Varianten, die auch zum Beispiel mit Koolada und Süßmittel und/oder Ethanol versetzt sind oder die traditionelle Base, die auch neben PG und VG noch Wasser enthält. Randsegmente, die auch als Base bezeichnet werden, gibt es also ebenfalls im Fachhandel. Einige Dampfer bevorzugen diese Gemische, um sich ihr Liquid nach individuellen Vorlieben bequem abzustimmen.

Diese Gemische sind im Prinzip nichts anderes als geschmacksloses und nikotinfreies Liquid. Bei den bisherigen Regulierungen ist die „Base“ nicht betroffen gewesen. Jedenfalls nicht dahingehend, einen Preissprung von eklatanter Höhe vollziehen oder von Seiten des Handels Steuerbanderolen dafür beanspruchen zu müssen. Kommt die Zweckbindung also hier zum Zug, dann fallen die fertigen Gemische an „Base“ aus dem Sortiment.

Was nach der Einschätzung mit etwas Abstand aber nicht ohne Weiteres aus dem Sortiment fallen könnte, wären separierte Gebinde mit jeweils PG und VG. Dann ist die „Base“ nicht eine Base, sondern ein Rohstoff. Ob dieser Rohstoff unter das Tabaksteuermodernisierungsgesetz fallen kann, erscheint zumindest mit weit mehr Fragezeichen versehen zu sein als die zur Verwendung gebrauchsfertigen „Basengemische“.

Für Konsumenten wäre aber selbst der schlimmste Fall kein Beinbruch. Der mittelständischen E-Zigarettenbranche würde dies viel mehr zu schaffen machen, wenn ein Produktsegment aus ihrem Angebot rausfällt. Der heutige Dampfer, der gut informiert und vernetzt ist, würde PG und VG ganz legal in anderen Handelssegmenten, ob das im Pferde-, im Tier oder im Chemiehandel ist, sei dahingestellt, zu dem gewöhnlichen Mehrwertsteuersatz erhalten.

Der scheinbar größte Weltuntergang ist mit etwas Abstand vielleicht doch nur etwas zerschlagenes Porzellan.

Nikotinshots steigen im Preis

Noch eine Wendung in dem Krimi: Obwohl der Weltuntergang 4.0 naht, solle man gleichzeitig als Konsument bitte bis kurz vor Ablauf der Fristen warten bis man Nikotinshots „bunkert“. Der Handel würde dann extra für uns Dampfer ordentliche Rabatte springen lassen. Der Handel, die neue Caritas der Dampfer? Das ist eher Abteilung Märchen, nicht Krimi.

Vermutlich wird es wie zur Einführung des Tabakerzeugnisgesetzes und der Tabakerzeugnisverordnung laufen. Kurz vor Ende der Fristen leerten sich die Lager der Händler mit Bunkerbase und wie das so auf einem echten Markt ist, wenn die Nachfrage hoch ist (das war sie zu dem Zeitpunkt), die Ware knapp, dann steigen die Preise und sinken natürlich nicht. Deswegen wäre die Herangehensweise Bunkern konstant über ein Jahr so viel wie möglich und das Bunkern nicht auf die letzten zwei Monate zu verschieben ökonomisch sinnvoller durchdacht. Rohstoffe sind in den letzten Wochen preislich angestiegen. Das hat die Preise von Nikotinshots bei einigen Händlern schon nach oben getrieben.

Der Traum von Convinience Produkten – Das Aus für Shake and Vapes?

Shortfills und Longfills: Darüber schreiben die Dampfer den Begriff Shake and Vape. Seit 01.01.2021 fallen diese Produkte auch unter die Bestimmungen des Tabakerzeugnisgesetzes und die Tabakerzeugnisverordnung. Die interessierten Dampfer der Filterblase wissen: Der mittelständische Betrieb bemüht sich noch um die flächendeckende Umsetzung.

Also: Sind Shortfills und Longfills „Substitute für Tabakwaren, die zum Konsum mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet sind?“

Die Antwort lautet: Wahrscheinlich schon.

Bei den Shortfills zumindest ist die Lage sehr eindeutig. Diese sind ein zum sofortigen Konsum geeignetes Produkt. Auch wenn dieses ein wenig intensiv sein würde. Es ist zum Konsum geeignet. Diese Produktkategorie dürfte sich in Zukunft vom Markt verabschieden. Das, was ohnehin nur ein Randsegment war und sich in Deutschland auf dem Markt nicht langfristig durchsetzen konnte, würde dann dem Wandel der Zeit weichen. Die wenigen Shortfill-Anbieter müssten sich dann einen Switch auf Longfills und/ oder gebrauchsfertige 10 Milliliter-Liquids überlegen.




Viele der Longfills – gerade die der kleinen Anbieter mit kleinen Batches für circa 14 Euro zu erwerben – enthalten 17 oder 30 ml Aroma (in PG aufgelöst, mit teilweise auch VG). Diese gestreckten Konzentrationen würden dann, sofern die Shake-and-Vape-Anbieter sich auf dem hart umkämpften Markt halten wollen und die Abfüllanlagen amortisiert werden müssen, auf ein Minimum von wahrscheinlich 10 ml reduziert werden und in Form von Bottle in Bottle angeboten werden. Bottle in Bottle bedeutet, eine 10-ml-Flasche Aroma wird in eine leere (große) Chubby-Gorilla-Flasche gesteckt.

Man kann aber auch Justitia herausfordern darüber zu entscheiden, ob 30 ml tatsächlich ein „Aroma“ sind oder, ob es sich hierbei um ein „Substitut für Tabakwaren handelt, das zum Konsum mittels eines Gerätes erzeugten Aerosols oder Dampfes geeignet ist“, wenn das „Aroma“ sich direkt in der Flasche befindet und es sich „nur“ um eine Dosierungsempfehlung des Herstellers handelt die Longfillflasche mit „Base“ und/ oder „Nikotinshots“ voll aufzugießen.

Bei den Pods ist die Steuererhöhung kaum spürbar

Der ursprüngliche Oberbegriff von Shake and Vape wird dadurch obsolet. Ein Shake and Vape ist ja wie der Name sagt: Schütteln und Dampfen, also ready to use oder fast ready to use. Ein Convenience Produkt ist es damit auch nicht. Die Anbieter von Shake and Vape oder besser Longfill werden deswegen aber wahrscheinlich nicht im überwiegenden Maße auf die (große) Chubbyflasche verzichten. Die Anlagen stehen da und sie wollen genutzt werden. Für ein 10ml Aroma wird der Kunde keine 14 Euro und schon gar nicht noch mehr zu zahlen bereit sein. Die Größe der Verpackung, in dem Fall die Chubbyflasche, setzt unbewusst einen psychologischen Effekt. Dem Grunde nach werden aber kleine 10-ml-Aromen sich von den „Bottle in Bottle“ Longfills in der Anwendung für den Konsumenten nicht unterscheiden. Genau genommen wären es eigentlich nicht mal mehr Longfills. Es wären dann einfach 10-ml-Aromen in einer leeren Chubbyflasche und 100 Prozent Do-it-yourself-Produkte mit einem Aufpreis.

Convenience bedeutet so viel wie Bequemlichkeit. Die wirklichen Convenience Produkte sind die gebrauchsfertigen 10-ml-Liquids und diese werden wie auch die Nikotinshots beginnend mit dem ersten Juli 2022 erstmalig mit 0,16 Euro/ml besteuert werden. Den Raucher, der gerade noch vor dem Fachhandel eine geraucht hat und dann den Fachhandel ab dem ersten Juli 2022 betritt, wird wahrscheinlich nicht gleich bei dem Preis aufschreien. Der ist noch anderes gewohnt, sofern er von der Verbrennungszigarette kommt. Weitere Convenience Produkte wie die prefilled Pods, zum Beispiel VUSE von Highendsmoke (British American Tobacco) werden bei dieser Zielgruppe kaum den Preisanstieg bemerken. Er ist bei maximal 2-ml-Pods mit wenigen Cents nicht zwingend ein Grund das Dampfen aufzugeben.

Viele Blicke in die Details des Tatvorgangs zeigen also ein differenziertes Bild. Die wirklich spannenden Fragen werden im Nachgang beantwortet: Wie werden es die Hersteller lösen und wie viele werden auf welche Variante in Zukunft in ihrem Sortiment umsteigen? Werden sie die Steuer voll auf die Dampfer übertragen oder wird auch an der Marge zurückgeschraubt? Wie sehen die Absatzzahlen nach einem ersten Jahr für diese Segmente Nikotinshots, Longfills und 10-ml-Liquids aus?

Denn zum ersten Mal wird es dann im Jahr 2023, wohlbemerkt wenn alles so kommen wird wie interpretiert, verlässliche Zahlen aufgrund der Steuerbanderolen geben. Alle bisherigen Zahlen waren Schätzungen ins Blaue hinein und nicht wirklich verlässlich. Was man leider nicht statistisch aufgreifen können wird, wie viele der Dampfer beziehen ihre Produkte bereits oder werden sich nach dem bevorstehenden Wandel dazu entschließen, ihre Produkte außerhalb des Fachhandels (dazu zählen Online- und Offline-Geschäfte) zu beziehen. Denn wenn Dampfer keine Convenience Hardware wie Fertigcoil Verdampfer oder Pods nutzen, sind sie praktisch als fortgeschrittene Dampfer bis auf den Kauf von Verdampfern, Akkuträgern und Nikotinshots auf die Branche gar nicht angewiesen. „Base“, Aromen, Draht, Watte und Akkus gibt es auch außerhalb des Fachhandels zu kaufen.

Man kann es auch positiv sehen: Die Dampfe wird bleiben

Kommen wir abschließend zu unserem TabStMoG. Der Tatablauf ist nun bekannt, und wir haben den Blick auf die Folgen geworfen. Aber was ist mit dem Täter? Fürs Erste ist er untergetaucht. Wie genau die Sache ablief, wer und warum im Finanzministerium die Idee gebar, dass es teuer werden soll, bleibt unklar. Ebenso, warum die SPD weitgehend stur bei ihrer Linie blieb und ob die Dampf-Protagonisten nun insgesamt (unabsichtlich) eher den Übeltätern halfen oder doch noch Schlimmeres verhindert haben.




Alle, die noch leben, können im Großen und Ganzen zufrieden sein. Wir haben uns alle gesorgt und amüsiert, aufgerieben, unserer Tischgesellschaft aufgeregt zugerufen und sie mit Vermutungen versorgt. Wie so manche Social-Media-Propheten von sich gaben, wird es zwar nicht gehen, nach der Steuer haben wir Dampfer nicht “unsere Ruhe”. Das Krimi-Dinner wird in anderer Konstellation fortgesetzt. Zwei größere Felder wie die Aromen und die Hardware stehen noch in der Pipeline. Dennoch, die E-Zigarette hat einen guten Umsatz über die Jahre hinbekommen und Vater Staat hat nicht so zugeschlagen, wie er in anderen Ländern zugeschlagen hat. Wir können es positiv sehen. Die 1,60 Euro im ersten Step werden „ideologisch“ schwer für die Älteren von uns, doch wer den ersten Schritt macht, wird meistens auch den zweiten Schritt machen. Aller Anfang ist immer schwer. Das Wichtigste ist: Die Dampfe wird weiter bleiben, und ich bleibe auch Dampfer.

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