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Gastbeitrag: Disposables in Deutschland

8. April 2022By JJS

Vorige Woche hatte eine Dampferin, die sich hervorragend im Markt auskennt, aber aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte, an dieser Stelle über die Disposables in China und Großbritannien berichtet. Im zweiten Teil geht es um die Entwicklung in Deutschland und die dringlichen Fragen, die sich stellen.

Wie steht es in Deutschland mit der Produktsicherheit von sogenannten Disposables, also den Einweg-E-Zigaretten, die sich gerade rasant ausbreiten? Infolge der Erkenntnis über die Vorgänge auf dem britischen Markt hat die Verfasserin Ende des Jahres 2021 und zu Beginn des Jahres 2022 den stationären Fachhandel für E-Zigaretten und den Online-Fachhandel für E-Zigaretten besucht und Testkäufe von Disposables in einer Großstadt in Deutschland und anliegenden Kleinstädten durchgeführt.

Die Online-Fachgeschäfte gehören zu den in Dampferkreisen bekannten Geschäften. Keines der erworbenen Disposable Produkte hatte nicht mindestens fehlende oder falsche Angaben beziehungsweise Symbolik auf der Umverpackung oder dem Gerät selbst. Die entsprechenden sogenannten CLP-Vorgaben wurden mangelhaft umgesetzt und Warnsymbole fehlten teilweise. Die Benennung des in Europa ansässigen Importeurs war nicht durchgängig bei den erworbenen Produkten gegeben. Mehrfachkäufe im Online Fachhandel zeigten bei ein und demselben Marken Disposable Veränderungen in der Kennzeichnung im Hinblick auf die Einordnung der CLP- Verordnung.




Besonders auffallend war auch im deutschen Online-Fachhandel für E-Zigaretten, dass die angebotenen Disposables nicht in allen Online Repräsentanzen eine Einordnung nach der CLP-Verordnung vor Kaufabschluss anführten, teilweise fehlten diese Angaben für Verbraucher vollständig. Dies trifft auch auf in Dampferkreisen sehr bekannte Online-Händler zu, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind.

Produktbeschreibungen im Bereich der Verbrauchertäuschung

Die Produktbeschreibung der versprochenen Zahl der Dampf-Züge war bei allen Produkten im Bereich der Verbrauchertäuschung anzusiedeln. Es gab Abweichungen von mindestens 20 Prozent bis zu 50 Prozent zu den Produktangaben bei den versprochenen Zügen. Ein Teil der Produkte war nicht ordnungsgemäß in Deutschland angemeldet. In der offiziell zugänglichen Anmeldeliste des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit befinden sich viele Fehler.




Die Listenstruktur kommt für Verbraucher und Institutionen wie zum Beispiel  Schulen einer Zumutung nahe. Es besteht faktisch keine Möglichkeit für Dampfer, eine zuverlässige Liste über ordnungsgemäß zugelassene Produkte aufzurufen. Ob die Flüssigkeiten in den Disposables die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen und auch die Nikotinmenge eingehalten wird, konnte die Verfasserin nicht prüfen. Eine Überprüfung findet bis auf stichprobenhafte Untersuchungen der Marktüberwachung nicht statt. Wie im Vereinigten Königreich werden lediglich die Angaben auf der Umverpackung und dem Gerät mit den Angaben in den entsprechenden Datenblättern verglichen. In Deutschland garantiert der Hersteller beziehungsweise Importeur die Richtigkeit der Angaben.

Der Verbraucherschutz steckt also in den Kinderschuhen. Die Mängelliste deckte sich bei den von der Verfasserin erworbenen 47 Disposables mit den Resultaten der schottischen Behörden, über die vorige Woche berichtet wurde.

In einem zweiten Durchlauf fuhr die Verfasserin umliegende Shisha Geschäfte, Kiosks und einige Tankstellen an. Die dort vorgefundenen Disposables ergaben ein besorgniserregendes Resultat. In den 32 angefahrenen Geschäften gab es lediglich vier, die dem ersten Anschein nach keine illegalen Produkte führten. Die an diesen Verkaufsstellen erworbenen Produkte hatten fehlerhafte CLP-Angaben, die Beschriftung der Umverpackung war bei einigen so klein, dass die Verfasserin sie nur mit einer Lupenfunktion lesen konnte, obwohl sie keine Brillenträgerin ist.




In den restlichen Geschäften war mindestens eine Marken-Disposable-Verkaufsreihe, die die zugelassenen zwei Milliliter Tankvolumen mit 4,5 oder 6,5 ml überstiegen und/oder fünf Prozent oder sogar sechs Prozent Nikotin auf der Umverpackung auswiesen. Die Umverpackung enthielt entweder ausländische Beschriftung und/oder keine Warnhinweise in Landessprache oder gar keine Warnhinweise beziehungsweise Piktogramme.

In einem weiteren Schritt dehnte die Verfasserin ihre Eigenrecherche auf Online-Präsenzen wie Online-Shisha-Geschäfte, reine Online-Disposable-Geschäfte, Amazon, TikTok und Instagram aus. Es ist der Recherche zufolge im Internet ohne Aufwand möglich, in Deutschland nicht angemeldete Produkte zu erwerben. Selbst auf Tik Tok und Instagram werden Disposables nicht nur beworben, sondern auch verkauft. Disposables mit 50 und 60 mg Nikotinstärke laut Produktbeschreibung sind genauso problemlos zu erhalten. Die fehlende Einordnung gemäß der CLP-Verordnung vor Kaufabschluss ist hier wie im Online-Fachhandel für E-Zigaretten besonders ausgeprägt.

China ante Portas

Es gibt zudem chinesische Internetseiten noch und nöcher, die sich für den Dampfer auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen geben, weil sie eine deutsche Domain haben. Auch jede Menge chinesische Online-Händler und Großhandel liefern problemlos, selbst in größeren Mengen. Nach Eindruck der Verfasserin ist es für den chinesischen Großhandel nicht von erheblichem Belang, wie die jeweiligen gesetzlichen Vorgaben in Deutschland sich gestalten. Es wird geliefert, was gefragt wird. Einige Händler in Deutschland berichteten der Verfasserin auf Nachfrage, sie würden im Wochentakt mehrere E-Mails von chinesischen Händlern mit derart „Angeboten“ erhalten.

Für die Verfasserin würde es mit einem entsprechenden wirtschaftlichem Hintergrund zusammen mit zwei bis vier Shareholdern keinen Umstand bereiten, Disposables in größeren Mengen in das Land einzuführen, Eigenmarken zu beauftragen und mit Studenten eine schneeballenartige Verkaufsstrategie über alle Bundesländer auf den Schulwegen aufzubauen und in TikTok, Telegram und WhatsApp zu organisieren. Die Disposables sind derart günstig auf hunderten Online-Präsenzen zu kriegen. China liefert, was gefragt wird, und wenn nun mal in Europa und den USA immer mehr ruchlose Händler diese Produkte einführen, können weder die chinesischen noch die europäischen Behörden dagegenhalten.

Es werden von China aus weltweit mehrere Millionen Disposables exportiert und von „willigen“ Händlern eingeführt. Disposables haben eine hohe Anziehungskraft auf junge Zielgruppen unter 25 Jahren. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich dabei um illegale oder legale Disposables handelt, denn der gewöhnliche Verbraucher erkennt den Unterschied nicht.

Das ist ein erhebliches Problem, das besser jetzt diskutiert werden sollte, als den Schaden weiter ansteigen zu lassen.Denn die Branche gerät schon dadurch in Misskredit, dass sie diese Produkte handelt und versucht sich damit herauszureden, welcher jeweils andere Marktakteur diese Produkte zuerst für die Einführung auf dem deutschen Markt registrierte. Es hilft nicht, wenn Großhändler und kleine Händler sich gegenseitig bescheinigen, dass der jeweils andere mehr von diesen misslichen Produkten handelt.

Es ist auch völlig belanglos in diesem Gesamtkontext, ob mehr Shisha-Geschäfte und Kioske diese Produkte an Minderjährige verkaufen als E-Zigarettengeschäfte. Das Produkt als solches wird mutmaßlich in allen Branchen (Tabakwarenhandel wie Shisha-Handel und Kiosks und E-Zigaretten Handel) an Minderjährige verkauft. Weder die Aufsichtsbehörden werden hinterherkommen, noch die Händlerverbände kommen über das Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb hinterher. Andernfalls wären nicht diese Vielzahl an Disposables ohne Umschweife und große Hürden überall zu erwerben. Die ersten Jugendlichen sind schon beim Konsum der Disposables auf den Straßen Deutschlands zu beobachten. Genauso liegen immer mehr Disposables auf den Gehwegen herum.

Nur Kontrolle hilft

In Zeiten von Klimawandel und einem Ressourcenmangel ist das Produkt Disposables als solches nicht schützenswert. Solange es „legale“ Disposables geben darf, wird es auch illegale Disposables geben. In der Konsequenz werden in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern einerseits Verbraucher einem risikobehafteten unsicheren Markt ausgesetzt und anderseits wird dadurch der Konsum von Minderjährigen in ganz Europa, die diese Produkte konsumieren, in Kauf genommen.

Von staatlicher Durchsetzung des Jugendschutzes kann nicht die Rede sein, im Handel werden die Jugendschutzauflagen oft unterwandert und Selbstkontrollmechanismen werden nur punktuell wahrgenommen. Die Methode „Greenwashing light“ sind teilweise von Händlern etablierte nebelkerzenartige Pfandsysteme wie zum Beispiel „Bringe zehn gekaufte und genutzte Disposables zurück und erhalte Disposable Nr. elf kostenlos.

Hierbei handelt es sich um ein ineffektives und schmales Rabattsystem von 50 Cent oder 1 Euro Ersparnis je Produkt und interessiert die jeweilige Zielgruppe in der Masse gar nicht. Die Attraktivität für die Zielgruppe rührt ja geradezu aus dem Prinzip „Fire and forget“ beziehungsweise „Vape and forget“. Diese „Pfandsysteme“ dienen Händlern einzig dazu, den Vertrieb dieser Produkte zu bagatellisieren, zu legitimieren.

Es geht also um das Produkt der Disposables als Ganzes. Was wirklich zählt und kaufbestimmend ist, sind das immense Marketing in den sozialen Netzwerken und der niedrige Einstiegspreis von sechs Euro.

Dieses Marketing lässt sich, ohne in die Details zu gehen, auf zahlreichen Kanälen verfolgen, zum Beispiel auf Youtube, Twitch und Instagram. Auch in Deutschland bewerben Influencer mit mehreren Zehntausend Live-Zuschauern diese Produkte. Wo sind die sonst so aufmerksamen Justiziare der Medienanstalten oder der jeweiligen Landes-Medienaufsicht?

Die Konsequenzen in Deutschland

Noch einmal kurz der Blick in zwei bereits untersuchte Märkte: Während Schottland überlegt, Werbeeinschränkungen einzuführen (wie das bei Tik Tok und anderen sozialen Netzwerken durchgesetzt werden soll, bleibt indes unklar), hat die chinesische Regierung die Kontrolle über den nationalen Markt in weiten Teilen verloren und als einfachstes Mittel den Einsatz von Aromen in Liquids verboten.

Hier zeigt sich, wie wichtig es wäre, das „Disposable“-Problem in Deutschland und Europa frühzeitig anzugehen und auch aus der Branche aktiv dagegen vorzugehen. Denn das Aromenverbot als Konsequenz eines außer Kontrolle geratenen Disposable-Marktes ist eine schiere Katastrophe aus Sicht von Harm Reduction anzusehen.

Die meisten Dampfer bevorzugen Fruchtaromen und das ist auch nachvollziehbar, weil wer einmal umsteigen will, irgendwann so weit wie möglich weg sein will von allem, was mit Tabak auch nur geschmacklich zu tun hat. Wenn es Deutschland nicht gelingt, das Problem am Produkt selbst festzumachen, wird das Disposable-Geschäft die nächsten Jahre blühen – auf Kosten eines unsicheren, weil unregulierten Marktes für Verbraucher und Verbraucherinnen und einem aus den Fugen geratenen Jugendschutz.




Die angeführte Gemengelage zeigt kein abschließendes Bild über Nachholbedarfe auf. Sie gibt aber einen Überblick und zeigt enorme Engpässe bei der Regulierung von Social Media Plattformen, unsicheren Märkten bzw. geschwächten Verbraucherrechten, den unzureichenden Kapazitäten von Eingriffsbehörden, gesetzgeberischen Schwachstellen und nicht zuletzt einem nur rudimentären Verständnis von dem Produkt Disposables und dem E-Zigarette Markt auf. Nach Einschätzung der Verfasserin wird es für die deutsche Regierung utopisch sein, angeführte „Baustellen“ in Kürze hinreichend zu beheben. Probiert sich die deutsche Regierung im mühsamen Beheben dieser Baustellen, geschieht worauf viele Großinvestoren in vielen Ländern der Welt spekulieren: ein jahrelanges, flächendeckendes und unkontrolliertes Roll-Out der Disposables auf dem deutschen Markt. Ob Deutschland in der Lage sein wird, die Problematik an dem Produkt der Disposables festzuschreiben, oder ob Deutschland sich bei einer Vielzahl der Länder einreihen werden muss, kapituliert und damit vielleicht die wichtigste Chance im Kampf gegen den tödlichen Tabakkonsum, die das letzte Jahrzehnt hervorbrachte, vergeben wird. Daran werden viele Dampfer und Dampferinnen die Regulierungsbemühungen der Regierung messen.

Um eine Chance im Kampf gegen den Tabakkonsum und den infolge des Tabakkonsums unermesslichen Gesundheitskosten und Sterberaten zu haben, müsste die deutsche Regierung sich auf folgende Punkte einigen:

  1. Die Sicherstellung des Verbraucherschutzes (zum Beispiel veränderte Bedingungen für die Anmeldeliste, es bedarf dringend einer validen und  barrierefreien Liste für Verbraucher über E-Zigarettenprodukte im Allgemeinen , die Überprüfung der Flüssigkeitsemissionen und die Einhaltung Inhaltsstoffverbotsliste des §28 Anlage 2 der Tabakerzeugnisverordnung).
  2. Eine intensive Beforschung der Aromen und E-Zigaretten im Vergleich zu anderen Ländern.
  3. Das totale Verbot von Disposables in Deutschland, um sowohl den Verbraucherinteressen als auch den Jugendschutzinteressen und nicht zuletzt ökologischen Erforderlichkeiten Rechnung zu tragen.
  4. Nicht dem Irrglauben zu verfangen, geschlossene Systeme wären einfacher zu regulieren und sicherer für Verbraucher als offene Systeme. Disposables zeigen, wie unsicher und unkontrollierbar Märkte mit geschlossenen Systemen werden können. Das Verbot offener Systeme würde nur eins: Die Marktmacht von Tabakunternehmen für mehrere Jahrzehnte sichern.

Natürlich ist der dritte Punkt der Wichtigste. Nur so lässt sich verhindern, dass Dampfer erst mit einem unsicheren Markt konfrontiert werden und im Anschluss mit einem öffentlichen Aufschrei, obschon die von ihnen genutzten Produkte gar nicht Auslöser des Problems sind. Beim hektischen Gegensteuern einer an den Dampf-Details weitgehend uninteressierten Politik, das ist schon oft zu beobachten gewesen, würden sie dann aber trotzdem unter die regulatorischen Räder geraten.

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8. April 2022By JJS

Vorige Woche hatte eine Dampferin, die sich hervorragend im Markt auskennt, aber aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte, an dieser Stelle über die Disposables in China und Großbritannien berichtet. Im zweiten Teil geht es um die Entwicklung in Deutschland und die dringlichen Fragen, die sich stellen.

Wie steht es in Deutschland mit der Produktsicherheit von sogenannten Disposables, also den Einweg-E-Zigaretten, die sich gerade rasant ausbreiten? Infolge der Erkenntnis über die Vorgänge auf dem britischen Markt hat die Verfasserin Ende des Jahres 2021 und zu Beginn des Jahres 2022 den stationären Fachhandel für E-Zigaretten und den Online-Fachhandel für E-Zigaretten besucht und Testkäufe von Disposables in einer Großstadt in Deutschland und anliegenden Kleinstädten durchgeführt.

Die Online-Fachgeschäfte gehören zu den in Dampferkreisen bekannten Geschäften. Keines der erworbenen Disposable Produkte hatte nicht mindestens fehlende oder falsche Angaben beziehungsweise Symbolik auf der Umverpackung oder dem Gerät selbst. Die entsprechenden sogenannten CLP-Vorgaben wurden mangelhaft umgesetzt und Warnsymbole fehlten teilweise. Die Benennung des in Europa ansässigen Importeurs war nicht durchgängig bei den erworbenen Produkten gegeben. Mehrfachkäufe im Online Fachhandel zeigten bei ein und demselben Marken Disposable Veränderungen in der Kennzeichnung im Hinblick auf die Einordnung der CLP- Verordnung.




Besonders auffallend war auch im deutschen Online-Fachhandel für E-Zigaretten, dass die angebotenen Disposables nicht in allen Online Repräsentanzen eine Einordnung nach der CLP-Verordnung vor Kaufabschluss anführten, teilweise fehlten diese Angaben für Verbraucher vollständig. Dies trifft auch auf in Dampferkreisen sehr bekannte Online-Händler zu, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind.

Produktbeschreibungen im Bereich der Verbrauchertäuschung

Die Produktbeschreibung der versprochenen Zahl der Dampf-Züge war bei allen Produkten im Bereich der Verbrauchertäuschung anzusiedeln. Es gab Abweichungen von mindestens 20 Prozent bis zu 50 Prozent zu den Produktangaben bei den versprochenen Zügen. Ein Teil der Produkte war nicht ordnungsgemäß in Deutschland angemeldet. In der offiziell zugänglichen Anmeldeliste des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit befinden sich viele Fehler.




Die Listenstruktur kommt für Verbraucher und Institutionen wie zum Beispiel  Schulen einer Zumutung nahe. Es besteht faktisch keine Möglichkeit für Dampfer, eine zuverlässige Liste über ordnungsgemäß zugelassene Produkte aufzurufen. Ob die Flüssigkeiten in den Disposables die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen und auch die Nikotinmenge eingehalten wird, konnte die Verfasserin nicht prüfen. Eine Überprüfung findet bis auf stichprobenhafte Untersuchungen der Marktüberwachung nicht statt. Wie im Vereinigten Königreich werden lediglich die Angaben auf der Umverpackung und dem Gerät mit den Angaben in den entsprechenden Datenblättern verglichen. In Deutschland garantiert der Hersteller beziehungsweise Importeur die Richtigkeit der Angaben.

Der Verbraucherschutz steckt also in den Kinderschuhen. Die Mängelliste deckte sich bei den von der Verfasserin erworbenen 47 Disposables mit den Resultaten der schottischen Behörden, über die vorige Woche berichtet wurde.

In einem zweiten Durchlauf fuhr die Verfasserin umliegende Shisha Geschäfte, Kiosks und einige Tankstellen an. Die dort vorgefundenen Disposables ergaben ein besorgniserregendes Resultat. In den 32 angefahrenen Geschäften gab es lediglich vier, die dem ersten Anschein nach keine illegalen Produkte führten. Die an diesen Verkaufsstellen erworbenen Produkte hatten fehlerhafte CLP-Angaben, die Beschriftung der Umverpackung war bei einigen so klein, dass die Verfasserin sie nur mit einer Lupenfunktion lesen konnte, obwohl sie keine Brillenträgerin ist.




In den restlichen Geschäften war mindestens eine Marken-Disposable-Verkaufsreihe, die die zugelassenen zwei Milliliter Tankvolumen mit 4,5 oder 6,5 ml überstiegen und/oder fünf Prozent oder sogar sechs Prozent Nikotin auf der Umverpackung auswiesen. Die Umverpackung enthielt entweder ausländische Beschriftung und/oder keine Warnhinweise in Landessprache oder gar keine Warnhinweise beziehungsweise Piktogramme.

In einem weiteren Schritt dehnte die Verfasserin ihre Eigenrecherche auf Online-Präsenzen wie Online-Shisha-Geschäfte, reine Online-Disposable-Geschäfte, Amazon, TikTok und Instagram aus. Es ist der Recherche zufolge im Internet ohne Aufwand möglich, in Deutschland nicht angemeldete Produkte zu erwerben. Selbst auf Tik Tok und Instagram werden Disposables nicht nur beworben, sondern auch verkauft. Disposables mit 50 und 60 mg Nikotinstärke laut Produktbeschreibung sind genauso problemlos zu erhalten. Die fehlende Einordnung gemäß der CLP-Verordnung vor Kaufabschluss ist hier wie im Online-Fachhandel für E-Zigaretten besonders ausgeprägt.

China ante Portas

Es gibt zudem chinesische Internetseiten noch und nöcher, die sich für den Dampfer auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen geben, weil sie eine deutsche Domain haben. Auch jede Menge chinesische Online-Händler und Großhandel liefern problemlos, selbst in größeren Mengen. Nach Eindruck der Verfasserin ist es für den chinesischen Großhandel nicht von erheblichem Belang, wie die jeweiligen gesetzlichen Vorgaben in Deutschland sich gestalten. Es wird geliefert, was gefragt wird. Einige Händler in Deutschland berichteten der Verfasserin auf Nachfrage, sie würden im Wochentakt mehrere E-Mails von chinesischen Händlern mit derart „Angeboten“ erhalten.

Für die Verfasserin würde es mit einem entsprechenden wirtschaftlichem Hintergrund zusammen mit zwei bis vier Shareholdern keinen Umstand bereiten, Disposables in größeren Mengen in das Land einzuführen, Eigenmarken zu beauftragen und mit Studenten eine schneeballenartige Verkaufsstrategie über alle Bundesländer auf den Schulwegen aufzubauen und in TikTok, Telegram und WhatsApp zu organisieren. Die Disposables sind derart günstig auf hunderten Online-Präsenzen zu kriegen. China liefert, was gefragt wird, und wenn nun mal in Europa und den USA immer mehr ruchlose Händler diese Produkte einführen, können weder die chinesischen noch die europäischen Behörden dagegenhalten.

Es werden von China aus weltweit mehrere Millionen Disposables exportiert und von „willigen“ Händlern eingeführt. Disposables haben eine hohe Anziehungskraft auf junge Zielgruppen unter 25 Jahren. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich dabei um illegale oder legale Disposables handelt, denn der gewöhnliche Verbraucher erkennt den Unterschied nicht.

Das ist ein erhebliches Problem, das besser jetzt diskutiert werden sollte, als den Schaden weiter ansteigen zu lassen.Denn die Branche gerät schon dadurch in Misskredit, dass sie diese Produkte handelt und versucht sich damit herauszureden, welcher jeweils andere Marktakteur diese Produkte zuerst für die Einführung auf dem deutschen Markt registrierte. Es hilft nicht, wenn Großhändler und kleine Händler sich gegenseitig bescheinigen, dass der jeweils andere mehr von diesen misslichen Produkten handelt.

Es ist auch völlig belanglos in diesem Gesamtkontext, ob mehr Shisha-Geschäfte und Kioske diese Produkte an Minderjährige verkaufen als E-Zigarettengeschäfte. Das Produkt als solches wird mutmaßlich in allen Branchen (Tabakwarenhandel wie Shisha-Handel und Kiosks und E-Zigaretten Handel) an Minderjährige verkauft. Weder die Aufsichtsbehörden werden hinterherkommen, noch die Händlerverbände kommen über das Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb hinterher. Andernfalls wären nicht diese Vielzahl an Disposables ohne Umschweife und große Hürden überall zu erwerben. Die ersten Jugendlichen sind schon beim Konsum der Disposables auf den Straßen Deutschlands zu beobachten. Genauso liegen immer mehr Disposables auf den Gehwegen herum.

Nur Kontrolle hilft

In Zeiten von Klimawandel und einem Ressourcenmangel ist das Produkt Disposables als solches nicht schützenswert. Solange es „legale“ Disposables geben darf, wird es auch illegale Disposables geben. In der Konsequenz werden in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern einerseits Verbraucher einem risikobehafteten unsicheren Markt ausgesetzt und anderseits wird dadurch der Konsum von Minderjährigen in ganz Europa, die diese Produkte konsumieren, in Kauf genommen.

Von staatlicher Durchsetzung des Jugendschutzes kann nicht die Rede sein, im Handel werden die Jugendschutzauflagen oft unterwandert und Selbstkontrollmechanismen werden nur punktuell wahrgenommen. Die Methode „Greenwashing light“ sind teilweise von Händlern etablierte nebelkerzenartige Pfandsysteme wie zum Beispiel „Bringe zehn gekaufte und genutzte Disposables zurück und erhalte Disposable Nr. elf kostenlos.

Hierbei handelt es sich um ein ineffektives und schmales Rabattsystem von 50 Cent oder 1 Euro Ersparnis je Produkt und interessiert die jeweilige Zielgruppe in der Masse gar nicht. Die Attraktivität für die Zielgruppe rührt ja geradezu aus dem Prinzip „Fire and forget“ beziehungsweise „Vape and forget“. Diese „Pfandsysteme“ dienen Händlern einzig dazu, den Vertrieb dieser Produkte zu bagatellisieren, zu legitimieren.

Es geht also um das Produkt der Disposables als Ganzes. Was wirklich zählt und kaufbestimmend ist, sind das immense Marketing in den sozialen Netzwerken und der niedrige Einstiegspreis von sechs Euro.

Dieses Marketing lässt sich, ohne in die Details zu gehen, auf zahlreichen Kanälen verfolgen, zum Beispiel auf Youtube, Twitch und Instagram. Auch in Deutschland bewerben Influencer mit mehreren Zehntausend Live-Zuschauern diese Produkte. Wo sind die sonst so aufmerksamen Justiziare der Medienanstalten oder der jeweiligen Landes-Medienaufsicht?

Die Konsequenzen in Deutschland

Noch einmal kurz der Blick in zwei bereits untersuchte Märkte: Während Schottland überlegt, Werbeeinschränkungen einzuführen (wie das bei Tik Tok und anderen sozialen Netzwerken durchgesetzt werden soll, bleibt indes unklar), hat die chinesische Regierung die Kontrolle über den nationalen Markt in weiten Teilen verloren und als einfachstes Mittel den Einsatz von Aromen in Liquids verboten.

Hier zeigt sich, wie wichtig es wäre, das „Disposable“-Problem in Deutschland und Europa frühzeitig anzugehen und auch aus der Branche aktiv dagegen vorzugehen. Denn das Aromenverbot als Konsequenz eines außer Kontrolle geratenen Disposable-Marktes ist eine schiere Katastrophe aus Sicht von Harm Reduction anzusehen.

Die meisten Dampfer bevorzugen Fruchtaromen und das ist auch nachvollziehbar, weil wer einmal umsteigen will, irgendwann so weit wie möglich weg sein will von allem, was mit Tabak auch nur geschmacklich zu tun hat. Wenn es Deutschland nicht gelingt, das Problem am Produkt selbst festzumachen, wird das Disposable-Geschäft die nächsten Jahre blühen – auf Kosten eines unsicheren, weil unregulierten Marktes für Verbraucher und Verbraucherinnen und einem aus den Fugen geratenen Jugendschutz.




Die angeführte Gemengelage zeigt kein abschließendes Bild über Nachholbedarfe auf. Sie gibt aber einen Überblick und zeigt enorme Engpässe bei der Regulierung von Social Media Plattformen, unsicheren Märkten bzw. geschwächten Verbraucherrechten, den unzureichenden Kapazitäten von Eingriffsbehörden, gesetzgeberischen Schwachstellen und nicht zuletzt einem nur rudimentären Verständnis von dem Produkt Disposables und dem E-Zigarette Markt auf. Nach Einschätzung der Verfasserin wird es für die deutsche Regierung utopisch sein, angeführte „Baustellen“ in Kürze hinreichend zu beheben. Probiert sich die deutsche Regierung im mühsamen Beheben dieser Baustellen, geschieht worauf viele Großinvestoren in vielen Ländern der Welt spekulieren: ein jahrelanges, flächendeckendes und unkontrolliertes Roll-Out der Disposables auf dem deutschen Markt. Ob Deutschland in der Lage sein wird, die Problematik an dem Produkt der Disposables festzuschreiben, oder ob Deutschland sich bei einer Vielzahl der Länder einreihen werden muss, kapituliert und damit vielleicht die wichtigste Chance im Kampf gegen den tödlichen Tabakkonsum, die das letzte Jahrzehnt hervorbrachte, vergeben wird. Daran werden viele Dampfer und Dampferinnen die Regulierungsbemühungen der Regierung messen.

Um eine Chance im Kampf gegen den Tabakkonsum und den infolge des Tabakkonsums unermesslichen Gesundheitskosten und Sterberaten zu haben, müsste die deutsche Regierung sich auf folgende Punkte einigen:

  1. Die Sicherstellung des Verbraucherschutzes (zum Beispiel veränderte Bedingungen für die Anmeldeliste, es bedarf dringend einer validen und  barrierefreien Liste für Verbraucher über E-Zigarettenprodukte im Allgemeinen , die Überprüfung der Flüssigkeitsemissionen und die Einhaltung Inhaltsstoffverbotsliste des §28 Anlage 2 der Tabakerzeugnisverordnung).
  2. Eine intensive Beforschung der Aromen und E-Zigaretten im Vergleich zu anderen Ländern.
  3. Das totale Verbot von Disposables in Deutschland, um sowohl den Verbraucherinteressen als auch den Jugendschutzinteressen und nicht zuletzt ökologischen Erforderlichkeiten Rechnung zu tragen.
  4. Nicht dem Irrglauben zu verfangen, geschlossene Systeme wären einfacher zu regulieren und sicherer für Verbraucher als offene Systeme. Disposables zeigen, wie unsicher und unkontrollierbar Märkte mit geschlossenen Systemen werden können. Das Verbot offener Systeme würde nur eins: Die Marktmacht von Tabakunternehmen für mehrere Jahrzehnte sichern.

Natürlich ist der dritte Punkt der Wichtigste. Nur so lässt sich verhindern, dass Dampfer erst mit einem unsicheren Markt konfrontiert werden und im Anschluss mit einem öffentlichen Aufschrei, obschon die von ihnen genutzten Produkte gar nicht Auslöser des Problems sind. Beim hektischen Gegensteuern einer an den Dampf-Details weitgehend uninteressierten Politik, das ist schon oft zu beobachten gewesen, würden sie dann aber trotzdem unter die regulatorischen Räder geraten.

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