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Foto: Inge Eberhardt

Fruchtbare E-Zigaretten-Diskussion im Bundestag

7. September 2020By JJS

Wenn im Bundestag häufig Sachverständige zur E-Zigarette angehört werden, ist das prinzipiell eine gute Sache.




Sich im Hohen Haus intensiv mit dem Dampfen auseinanderzusetzen, kann nicht schaden, auch wenn nicht alle Positionen naturgemäß die Zustimmung der meisten Dampfer finden werden.

Zum zweiten Mal innerhalb von nicht einmal drei Monaten war es gestern soweit – nachdem es im Juni um Werbeverbote ging (eGarage berichtete), stand diesmal auf Wunsch der Grünen-Fraktion im Finanzausschuss die mögliche zusätzliche Besteuerung von E-Zigaretten im Fokus. Die Öko-Partei will schließlich die EU-Tabaksteuerrichtlinie weiterentwickeln, sodass sie auch E-Zigaretten umfasst. Für die Steuerhöhe verlangen sie eine verlässliche Basis – nämlich eine Relation zu den gesundheitlichen Auswirkungen im Vergleich zur Tabakzigarette. Die schriftlichen Stellungnahmen hatte eGarage bereits ausgewertet. In der Fragerunde ging es aber um deutlich mehr als die Besteuerung – sondern viel Grundsätzliches –, wobei die Diskussion deutlich fruchtbarer verlief als vor einigen Wochen.

Wolf-Dieter Heller vom Institut für Tabakforschung wies eingangs darauf hin, dass eine Langzeitstudie hinsichtlich einer Enderkrankung, zum Beispiel Lungenkrebs, nicht durchführbar sei – schließlich brauche das 20 Jahre. Es sei allerdings eine „vernünftige Kohortenstudie“ möglich, um zu prüfen, ob Jugendliche von der E-Zigarette zum Rauchen kommen („Gateway-Effekt“). Dafür könne man vielleicht die Debra-Studie verwenden, um zu „sehr validen“ Daten zu kommen.

Michael Schrodi (SPD) wollte vom Aktionsbündnis Nichtrauchen und der Vertreterin Ulrike Helbig-Schuster wissen, nach welchen Kriterien sich eine Besteuerung richten sollte. Sie betonte, es solle möglichst zu einer europäischen Regelung kommen. Deutschland sei das aber europäische Schlusslicht, was die Regulierung von Nikotinprodukten angehe. Sie plädierte deshalb für strenge Regeln und damit auch eine hohe Besteuerung für die E-Zigarette – zumal neue Studien die hohe Toxizität angeblich nachwiesen.




Michal Dobrajc vom Verband des eZigarettenhandels (VdeH) betonte auf eine Frage der Afd-Vertreterin, dass die E-Zigaretten-Branche keinesfalls mit der Tabakbranche vergleichbar sei. 500 oder 600 Millionen Euro Umsatz stünden Milliardeneinnahmen der Tabakindustrie gegenüber. Das mögliche Steueraufkommen liege also bei 13 bis 20 Millionen Euro im Falle einer Besteuerung, die den niedrigeren Schaden einberechne – für ein Produkt, „das den Menschen helfen würde, vom Tabakkonsum loszukommen“. Aus anderen Ländern, die eine Steuer eingeführt hätten, wisse man, dass das die Konsumenten hin zur Tabakzigarette treibe – „ob man das aus gesundheitspolitischer Sicht wirklich möchte, ist sehr fraglich“.

Die FDP wollte von Dobrajc wissen, ob er mehr über die Nutzer von E-Zigaretten sagen könne. Der Anteil der Jugendlichen und der Nichtraucher verharre laut Debra-Studie auf sehr niedrig einstelligem Niveau, sie spiele „faktisch keine Rolle“. Das spiegele sich auch in den Geschäften wieder. Die meisten Kunden seien langjährige Raucher. Die Sorge vor einer „Epidemie“ unter Jugendlichen sei nachvollziehbar – aber unbegründet und nicht belegt. Er kündigte an, bei der Werbung – zum Beispiel „Comics und Cartoons“ auf den nikotinfreien Liquids, sei man gesprächsbereit und könne „nachsteuern“. Die Zielgruppe seien nicht Jugendliche.

Zu einem späteren Zeitpunkt verwies Dobrajc mit sehr deutlichen Worten („kommt der Leugnung der Evolutionstheorie gleich“) darauf, dass wissenschaftlich klar nachgewiesen sei, dass E-Zigaretten deutlich weniger gesundheitsschädlich als Tabakzigaretten seien.

Ebenfalls zum sogenannten „Gateway-Effekt“ sagte Bernd Werse vom Zentrum für Drogenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, E-Zigaretten spielten keine große Rolle in der Jugendkultur, nur wenige hätten überhaupt Interesse, auch wenn nicht wenige Jugendliche die Produkte ausprobierten. Nach einer von ihm durchgeführten Studie hätte zwar etwa die Hälfte bereits Erfahrungen gesammelt, nur ein verschwindend geringer Anteil konsumiere sie aber häufig.

Gleichzeitig gehe nach allen Befragungen der Zigarettenkonsum von Jugendlichen zurück. Dafür, dass E-Zigaretten den Weg in den Zigarettenkonsum wiesen, gebe es kaum Hinweise. „Das Interesse ist nicht besonders groß.“ Bezüglich der Besteuerung sagte er, er sei in dieser Hinsicht kein Experte, aber eine Besteuerung nach Gefährlichkeit sei sinnvoll.

Martin Storck, Professor und Gefäßklinikleiter des Städtischen Klinikums Karlsruhe, wurde um eine medizinische Einschätzung der E-Zigarette von der Unionsfraktion gebeten. Die nicht einfach zu klärende Frage stelle sich, wie gefährlich das Dampfen im Vergleich zu Tabakzigarette sei. Alle gemessenen Schadensdaten seien um 90 bis 95 Prozent reduziert. Das mittlere Krebsrisiko sinke bei einem vollständigen Umstieg auf die E-Zigarette stark. „Eine deutliche Risikoreduktion ist besser als Weiterrauchen.“

Die Steuer sei weniger wichtig als die Aufklärung über die Fakten und die Risiken. Eine gestaffelte Steuer – zum Beispiel für E-Zigaretten mit hohem Nikotingehalt, halte er für vorstellbar, sie solle sich aber nach dem Risiko richten. Für langfristige Studien gebe es, so sagte Storck ebenfalls, das Problem, dass diese zehn oder gar zwanzig Jahre in Anspruch nehmen würden. Praktikable Hinweise könne alternativ die bessere Erforschung des Rauchverhaltens liefern. Das Krebsregister könne um Rauchgewohnheiten ergänzt werden, wie dies in anderen Ländern geschieht. Möglich sei ein kontrolliertes Register nach den Kriterien des „Deutschen Netzwerkes Versorgungsforschung“, mit medizinischer, statistischer und Public Health Expertise im Panel.




Professor Ute Mons, die das Deutsche Krebsforschungszentrum vertrat, sagte auf Frage der grünen Sprecherin für Drogenpolitik, Kirsten Kappert-Gonther, die neuen Produkte seien „nicht harmlos“, aber die Schadstoffmenge und -konzentration bei E-Zigaretten und Tabakerhitzern sei „deutlich niedriger“ als bei Zigaretten. E-Zigaretten seien klar deutlich weniger schädlich. Aus Studien wisse man, dass die Preisgestaltung insbesondere bei Jugendlichen eine „immense“ Lenkungswirkung habe. Deshalb sei es aus Gründen des Jugendschutzes richtig, E-Zigaretten und Tabakerhitzer zu besteuern, so würden sie „weniger attraktiv“ für Jugendliche. Die Verknüpfung mit dem Schadenspotenzial sei sinnvoll.

Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft der Universität Hamburg plädierte dafür, E-Produkte genauso hoch zu besteuern wie Tabakzigaretten. Das liege daran, dass nicht klar sei, wie die gesundheitlichen Kosten durch E-Zigaretten niedriger seien. Zudem sei der der Dual-Use von E-Zigarette und Tabak besonders schädlich.

Ganz anders sieht dies Berthold U. Wigger, Professor für Finanzwissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie. Ausweichreaktionen durch Besteuerung in schwarze Märkte seien möglich. Auf keinen Fall sollte die Besteuerung Anreize geben, auf unkontrollierte Produkte auszuweichen, wie dies in Griechenland geschehen sei. Neue Dampf- und Rauchprodukte seien in ihren gesundheitlichen Folgen deutlich anders einzustufen als herkömmliche Zigaretten. Diese geringeren Folgen sollten deshalb als Eingruppierung bei der Höhe der Besteuerung berücksichtigt werden. Beim Jugendschutz sei fraglich, ob Steuern das richtige Modell seien. „Ich erhebe ja auch keine Steuern, um Bankraub zu verhindern“, sagte er.

Die Aufzeichnung der Anhörung kann in der Mediathek des Bundestags abgerufen werden.

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7. September 2020By JJS

Wenn im Bundestag häufig Sachverständige zur E-Zigarette angehört werden, ist das prinzipiell eine gute Sache.




Sich im Hohen Haus intensiv mit dem Dampfen auseinanderzusetzen, kann nicht schaden, auch wenn nicht alle Positionen naturgemäß die Zustimmung der meisten Dampfer finden werden.

Zum zweiten Mal innerhalb von nicht einmal drei Monaten war es gestern soweit – nachdem es im Juni um Werbeverbote ging (eGarage berichtete), stand diesmal auf Wunsch der Grünen-Fraktion im Finanzausschuss die mögliche zusätzliche Besteuerung von E-Zigaretten im Fokus. Die Öko-Partei will schließlich die EU-Tabaksteuerrichtlinie weiterentwickeln, sodass sie auch E-Zigaretten umfasst. Für die Steuerhöhe verlangen sie eine verlässliche Basis – nämlich eine Relation zu den gesundheitlichen Auswirkungen im Vergleich zur Tabakzigarette. Die schriftlichen Stellungnahmen hatte eGarage bereits ausgewertet. In der Fragerunde ging es aber um deutlich mehr als die Besteuerung – sondern viel Grundsätzliches –, wobei die Diskussion deutlich fruchtbarer verlief als vor einigen Wochen.

Wolf-Dieter Heller vom Institut für Tabakforschung wies eingangs darauf hin, dass eine Langzeitstudie hinsichtlich einer Enderkrankung, zum Beispiel Lungenkrebs, nicht durchführbar sei – schließlich brauche das 20 Jahre. Es sei allerdings eine „vernünftige Kohortenstudie“ möglich, um zu prüfen, ob Jugendliche von der E-Zigarette zum Rauchen kommen („Gateway-Effekt“). Dafür könne man vielleicht die Debra-Studie verwenden, um zu „sehr validen“ Daten zu kommen.

Michael Schrodi (SPD) wollte vom Aktionsbündnis Nichtrauchen und der Vertreterin Ulrike Helbig-Schuster wissen, nach welchen Kriterien sich eine Besteuerung richten sollte. Sie betonte, es solle möglichst zu einer europäischen Regelung kommen. Deutschland sei das aber europäische Schlusslicht, was die Regulierung von Nikotinprodukten angehe. Sie plädierte deshalb für strenge Regeln und damit auch eine hohe Besteuerung für die E-Zigarette – zumal neue Studien die hohe Toxizität angeblich nachwiesen.




Michal Dobrajc vom Verband des eZigarettenhandels (VdeH) betonte auf eine Frage der Afd-Vertreterin, dass die E-Zigaretten-Branche keinesfalls mit der Tabakbranche vergleichbar sei. 500 oder 600 Millionen Euro Umsatz stünden Milliardeneinnahmen der Tabakindustrie gegenüber. Das mögliche Steueraufkommen liege also bei 13 bis 20 Millionen Euro im Falle einer Besteuerung, die den niedrigeren Schaden einberechne – für ein Produkt, „das den Menschen helfen würde, vom Tabakkonsum loszukommen“. Aus anderen Ländern, die eine Steuer eingeführt hätten, wisse man, dass das die Konsumenten hin zur Tabakzigarette treibe – „ob man das aus gesundheitspolitischer Sicht wirklich möchte, ist sehr fraglich“.

Die FDP wollte von Dobrajc wissen, ob er mehr über die Nutzer von E-Zigaretten sagen könne. Der Anteil der Jugendlichen und der Nichtraucher verharre laut Debra-Studie auf sehr niedrig einstelligem Niveau, sie spiele „faktisch keine Rolle“. Das spiegele sich auch in den Geschäften wieder. Die meisten Kunden seien langjährige Raucher. Die Sorge vor einer „Epidemie“ unter Jugendlichen sei nachvollziehbar – aber unbegründet und nicht belegt. Er kündigte an, bei der Werbung – zum Beispiel „Comics und Cartoons“ auf den nikotinfreien Liquids, sei man gesprächsbereit und könne „nachsteuern“. Die Zielgruppe seien nicht Jugendliche.

Zu einem späteren Zeitpunkt verwies Dobrajc mit sehr deutlichen Worten („kommt der Leugnung der Evolutionstheorie gleich“) darauf, dass wissenschaftlich klar nachgewiesen sei, dass E-Zigaretten deutlich weniger gesundheitsschädlich als Tabakzigaretten seien.

Ebenfalls zum sogenannten „Gateway-Effekt“ sagte Bernd Werse vom Zentrum für Drogenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, E-Zigaretten spielten keine große Rolle in der Jugendkultur, nur wenige hätten überhaupt Interesse, auch wenn nicht wenige Jugendliche die Produkte ausprobierten. Nach einer von ihm durchgeführten Studie hätte zwar etwa die Hälfte bereits Erfahrungen gesammelt, nur ein verschwindend geringer Anteil konsumiere sie aber häufig.

Gleichzeitig gehe nach allen Befragungen der Zigarettenkonsum von Jugendlichen zurück. Dafür, dass E-Zigaretten den Weg in den Zigarettenkonsum wiesen, gebe es kaum Hinweise. „Das Interesse ist nicht besonders groß.“ Bezüglich der Besteuerung sagte er, er sei in dieser Hinsicht kein Experte, aber eine Besteuerung nach Gefährlichkeit sei sinnvoll.

Martin Storck, Professor und Gefäßklinikleiter des Städtischen Klinikums Karlsruhe, wurde um eine medizinische Einschätzung der E-Zigarette von der Unionsfraktion gebeten. Die nicht einfach zu klärende Frage stelle sich, wie gefährlich das Dampfen im Vergleich zu Tabakzigarette sei. Alle gemessenen Schadensdaten seien um 90 bis 95 Prozent reduziert. Das mittlere Krebsrisiko sinke bei einem vollständigen Umstieg auf die E-Zigarette stark. „Eine deutliche Risikoreduktion ist besser als Weiterrauchen.“

Die Steuer sei weniger wichtig als die Aufklärung über die Fakten und die Risiken. Eine gestaffelte Steuer – zum Beispiel für E-Zigaretten mit hohem Nikotingehalt, halte er für vorstellbar, sie solle sich aber nach dem Risiko richten. Für langfristige Studien gebe es, so sagte Storck ebenfalls, das Problem, dass diese zehn oder gar zwanzig Jahre in Anspruch nehmen würden. Praktikable Hinweise könne alternativ die bessere Erforschung des Rauchverhaltens liefern. Das Krebsregister könne um Rauchgewohnheiten ergänzt werden, wie dies in anderen Ländern geschieht. Möglich sei ein kontrolliertes Register nach den Kriterien des „Deutschen Netzwerkes Versorgungsforschung“, mit medizinischer, statistischer und Public Health Expertise im Panel.




Professor Ute Mons, die das Deutsche Krebsforschungszentrum vertrat, sagte auf Frage der grünen Sprecherin für Drogenpolitik, Kirsten Kappert-Gonther, die neuen Produkte seien „nicht harmlos“, aber die Schadstoffmenge und -konzentration bei E-Zigaretten und Tabakerhitzern sei „deutlich niedriger“ als bei Zigaretten. E-Zigaretten seien klar deutlich weniger schädlich. Aus Studien wisse man, dass die Preisgestaltung insbesondere bei Jugendlichen eine „immense“ Lenkungswirkung habe. Deshalb sei es aus Gründen des Jugendschutzes richtig, E-Zigaretten und Tabakerhitzer zu besteuern, so würden sie „weniger attraktiv“ für Jugendliche. Die Verknüpfung mit dem Schadenspotenzial sei sinnvoll.

Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft der Universität Hamburg plädierte dafür, E-Produkte genauso hoch zu besteuern wie Tabakzigaretten. Das liege daran, dass nicht klar sei, wie die gesundheitlichen Kosten durch E-Zigaretten niedriger seien. Zudem sei der der Dual-Use von E-Zigarette und Tabak besonders schädlich.

Ganz anders sieht dies Berthold U. Wigger, Professor für Finanzwissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie. Ausweichreaktionen durch Besteuerung in schwarze Märkte seien möglich. Auf keinen Fall sollte die Besteuerung Anreize geben, auf unkontrollierte Produkte auszuweichen, wie dies in Griechenland geschehen sei. Neue Dampf- und Rauchprodukte seien in ihren gesundheitlichen Folgen deutlich anders einzustufen als herkömmliche Zigaretten. Diese geringeren Folgen sollten deshalb als Eingruppierung bei der Höhe der Besteuerung berücksichtigt werden. Beim Jugendschutz sei fraglich, ob Steuern das richtige Modell seien. „Ich erhebe ja auch keine Steuern, um Bankraub zu verhindern“, sagte er.

Die Aufzeichnung der Anhörung kann in der Mediathek des Bundestags abgerufen werden.

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