Experten warnen scharf vor hoher E-Zigaretten-Steuer

Prof. Knut Kröger leitete die digitale Diskussionsrunde zur Reform der Tabaksteuer.

Zwei Expertinnen und ein Experte – aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen – sehen die geplante Einführung einer hohen Steuer auf E-Zigaretten äußerst kritisch.




Kurz vor der Anhörung des neuen Tabaksteuergesetzes (TabStMoG) im Finanzausschuss des Bundestags am 17. Mai verhärtet sich damit die ablehnende Haltung der Wissenschaft noch einmal. Der Druck auf die schwarz-rote Koalition im Bund, die Pläne zumindest abzuschwächen, wächst.

Unter der Leitung von Professor Knut Kröger – Gefäßmediziner in Krefeld – diskutierten am Mittwoch auf Einladung der Thrombose-Initiative e.V. die Steuer- und EU-Expertin Dr. Regine Prunzel, Professor Ute Mons (Medizinische Fakultät Uni Köln) sowie Berthold Wigger, Professor für Finanzwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Mons stellte zunächst ihre grundsätzliche Einschätzung zur E-Zigarette dar. Es sei „wissenschaftlicher Konsens, dass von E-Zigaretten eine geringere Gesundheitsgefährdung ausgeht“ (als von Tabakzigaretten). „Weshalb viele das fast leugnen, ist mir auch unerklärlich“, sagte sie. Weder sei zu beobachten, dass Jugendliche die Produkte regelmäßig nutzten, noch gebe es belastbare Belege, dass sie als Einstieg in den Zigaretten-Konsum dienten.

Zu den Steuerplänen sagte sie, es sei aus Public Health-Perspektive „totaler Irrsinn“, E-Zigaretten nach der Nikotinmenge zu besteuern.  Erstens bedeute es, dass E-Zigaretten ohne Nikotin nicht besteuert würden. Dadurch sei der Jugendschutz – Jugendliche dampfen besonders häufig ohne Nikotin – nicht gewährleistet. Zweitens heiße es, dass stärker nikotinhaltige Liquids deutlich teurer würden als weniger nikotinhaltige Produkte. „Also gerade die Produkte, von denen wir wissen, dass sie besonders gut dabei wirken würden, Raucher von der Zigarette loszukriegen, weil sie eben besonders wirksame Substitute sind, werden stärker besteuert und werden damit teurer. Und das ist totaler Irrsinn.“




Die angepeilte Steuerbelastung sei, gerade für Produkte mit hohem Nikotingehalt, „absurd hoch“, denn je nach Nikotingehalt würde es eine Verdopplung der Preise bedeuten, führte Mons weiter aus. „Wenn ich eine E-Zigarette habe, die fast genau so viel kostet wie eine herkömmliche Zigarette, werden viele dann wieder zu einer herkömmlichen Zigarette greifen“, äußerte sie ihre Befürchtungen bezüglich der Lenkungswirkung der geplanten neuen Steuer.

Mit dem aktuellen Gesetzesentwurf werde eine große Chance vertan, gesundheitlich etwas zu verbessern. „Man hat den Eindruck, dass mit dem Gesetz gar kein gesundheitspolitisches Ziel verfolgt wird.“ Sinnvoll sei, formulierte sie die aus ihrer Sicht richtige Alternative, eine risikodifferenzierte Besteuerung einzuführen. „Produkte, die deutlich geringere Schadstoffbelastungen zur Folge haben, die mögliche Alternativen sind für diejenigen, die eben nicht aufhören wollen oder können, sollten als preislich attraktive Option belassen werden. Das, was momentan vorgesehen ist, geht völlig an dem Ziel vorbei.“

Wigger vom KIT erklärte, die Besteuerten reagierten auf Steuern, und das machten sie „ganz systematisch“. Man müsse sich als Gesetzgeber also überlegen, in welche Richtung die Gesteuerten gelenkt werden sollen. Mit dem neuen Gesetz begebe man sich allerdings „auf einem Weg, den ich für problematisch halte“.

Denn, so Wigger weiter: „Die bisher vorliegende Evidenz legt den Schluss nahe, dass es um eine deutliche Risikoreduktion geht (beim Umstieg auf von der Tabak- auf die E-Zigarette). „Nach all dem, was ich überblicke, ist die Datenlage im Hinblick auf E-Zigaretten und deren gesundheitliche Wirkungen durchaus belastbar.“ Nach seinem Verständnis wäre es ein sinnvolles gesundheitspolitisches Ziel, wenn Menschen auf risikoreduzierte Produkte umstiegen. „Ich habe das Gefühl, dass mit dem Modernisierungsgesetz das gesundheitspolitische Ziel nicht berücksichtigt wird“, sagte er.

Regine Prunzel stellte in ihren Ausführungen dar, dass die Mitgliedsstaaten der EU nur bestimmte Kompetenzen an die Staatengemeinschaft übertragen hätten. So könne – allerdings nur einstimmig – die Harmonisierung von Steuern vorangetrieben werden, der Gesundheitsbereich liege aber vollständig auf nationaler Ebene und höhere Steuern für E-Zigaretten und Tabakprodukte könne jedes Land eigenständig beschließen. Allerdings: Das habe auch Auswirkungen.




Im Falle der Einführung einer hohen E-Zigaretten-Steuer fürchtet sie, dass die „organisierte Kriminalität einen großen Raum greifen“ werde. Zudem entgingen dem Staat eigene Einnahmen, wenn aus anderen EU-Ländern Waren eingeführt würden. Und schließlich leiste der Schmuggel der Verbreitung von illegalen und damit potenziell gesundheitsschädlicheren Produkten Vorschub. Wenn Liquid-Fläschchen zehn Euro statt drei Euro kosten würden und bei einer Besteuerung von 4 Cent pro Milligramm Nikotin seien die Gewinnsummen für Kriminelle und Schmuggler bereits „unglaublich“.

Hier das Video der vollständig aufgezeichneten Veranstaltung zur eigenen Anschauung: