Keine Öffentliche Anhörung in Ausschüssen des Bundestages ohne vorherige Stellungnahmen der geladenen Experten. So auch jetzt beim Tabaksteuermodernisierungsgesetz und der Anhörung im Finanzausschuss am kommenden Montag.
Natürlich wird eGarage darüber berichten, aber jeder Interessierte kann auch dabei sein, eine Mail mit der Bitte um einen Link an das Ausschusssekretariat genügt: anmeldung-finanzausschuss@bundestag.de.
Zwischenzeitlich sind schon drei von acht möglichen Papers beim Finanzausschuss eingegangen vom Bündnis für Tabakfreien Genuss, BfTG, Herrn Prof. Werse von der Goethe Universität in Frankfurt am Main und vom Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse, BVTE.
Fangen wir mit der Kurzbetrachtung mit dem BVTE an. Darin gibt es zwei interessante Punkte zum TabStMoG. Der erste wird nicht wirklich wundern: Keine weitere Steuererhöhung jenseits des Gesetzentwurfes für die klassische Tabakzigarette. Begründung: Obergrenze erreicht, mehr würde mehr Schmuggel bedeuten und fiskalische Mehreinnahmen gefährden. Nun der zweite Punkt, in dem man sich der E-Zigarette annimmt (auch wenn man wohl nur 10 Prozent des gesamten E-Zigarettenmarktes nach BfTG-Schätzung vertritt) und einen interessanten Ansatz aufzeigt, wie im Chart auf Seite 8 zu sehen: Keine Besteuerung auf Nikotinbasis, sondern ausschließlich Volumenbasiert und dann für 10 ml –Liquidfläschchen: 01.07.2022 – 20 Cent, 01.01.2023 – 40 Cent, 01.01.2024 – 60 Cent, 01.01.2025 – 80 Cent und01.01.2026 – 1 Euro.
Ganz nett, aber wo bleibt nun die alte SPD-Position, dass Nikotin ein Suchtstoff ist?
Und noch ein kleines, nicht zu übersehendes Apercu: Davon profitieren vor allem die Pod-System-Anbieter für E-Zigaretten mit ihren zumeist nur 2 ml-Pods und die gehören mehrheitlich der Zigarettenbranche – und damit ist das für diese ein guter Vorschlag.
Auch nicht ganz selbstlos ist die letzte Bemerkung im Fazit des zehn Seiten-Papiers: „Neuartige Erzeugnisse sollten deshalb auf einem deutlich niedrigeren Niveau als die Zigarette besteuert werden (Tabakerhitzer 50 %, E-Zigarette 30 % der Tabaksteuer auf Zigaretten).“
Kommen wir nun zu Dr. Bernd Werse, vom Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung der Goethe-Universität in Frankfurt. Gleich im ersten Satz kommt das vernichtende Urteil zum TabStMoG: „…ich (bin) erschüttert über den nun vorliegenden Gesetzentwurf der amtierenden Bundesregierung. Dass die neuartigen Dampfprodukte zukünftig ebenso hoch bzw. annähernd so hoch besteuert werden sollen wie Verbrennungszigaretten und damit umgerechnet auf die übliche Konsumeinheit sogar höher als selbstgedrehte bzw. -gestopfte Zigaretten, widerspricht nicht nur dem weitgehenden wissenschaftlichen Konsens über die unterschiedliche Schädlichkeit dieser Produkte, sondern wird aller Voraussicht nach kontraproduktiv im Hinblick auf Schadensminimierung bezüglich Rauchen/Dampfen bzw. der öffentlichen Gesundheit insgesamt sein.“ Seine Bewertung mit deutlichem Schlusssatz gibt es in Gänze hier
Und nun zur dritten bereits veröffentlichten Stellungnahme zur Anhörung nächsten Montag vom BfTG, der in mehreren Punkten seine Position abgibt. Eigentlich sind es nur drei Seiten, gefolgt von einem zweiseitigen Chart – dazu später mehr – und einem ausführlichen Gutachten von Prof. Dr. Michael Mayer von der Universität Graz zum Thema „Vergleich des Nikotinbedarfs von Rauchern und Nutzern von E-Zigaretten“ sowie einer Stellungnahme vom März 2020 und ein „Spiegel“-Artikel aus dem Jahr 2019. Schon viel Schelte vom Feinschnitt gab es in Punkt 1) beim Vergleich von Nikotinkonsum bei E-Zigarette und Feinschnitt-Zigarette. Am Ende der vorgesehenen Nikotinsteuer wäre die Dampfe fast fünfmal so teuer wie die Selbstgedrehte, wie eine BfTG-Berechnung darlegt. Da wird der Umstieg zur Rückkehr. Der zweite Punkt greift die gewollte gesundheitspolitische Lenkungswirkung des TabStMoG auf. Postuliert werden muss, dass der Einstieg zu Zigarettenabhängigkeit und Nikotinsucht von den Tabakzigaretten kommt – und nicht von den risikominimierten Produkten. Diese wird aber nur erfüllt, wenn der Preisabstand zwischen Tabakzigaretten und E-Zigaretten groß genug ist und bleibt. Im nächsten Punkt werden Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zu Steuererhöhungen vorgetragen: 10% Preissteigerung bedeuten 11% Absatzrückgang – und parallel 10% weniger Rauch-Stoppversuche bei um 11% steigenden Tabakverkäufen. „Der Gesetzesentwurf sieht eine Verteuerung um bis zu 160% vor.“ Und das angesichts von den Folgen von EVALI und den Corona-bedingten Zwangsschließungen der kleinen und mittelständischen Händler. Im letzten Punkt werden die im Gesetzentwurf niedergefassten zu erwartenden Steuermehreinnahmen bezweifelt.
In diesem Punkt sind sich alle bislang eingetroffenen und veröffentlichten Stellungnahmen einig – das muss ein Rechenfehler vorliegen oder Adam Riese irrte.