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E-Zigaretten-Gipfel: Das Ende der „Verführer“-Theorie?

20. October 2016By JJS

Die These, dass die E-Zigarette Jugendliche und Nichtraucher dauerhaft zum Nikotin bringt lässt sich aus wissenschaftlicher Sicht kaum noch halten. Das ist eines der Ergebnisse einer Fachtagung der Frankfurt University of Applied Sciences, auf der Experten den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenfassten und diskutierten.

eGarage hat die wichtigsten Diskussionspunkte der von Professor Heino Stöver geleiteten Veranstaltung zusammengefasst.

Den Anfang machte Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum, das in der Vergangenheit von der Dampfer-Community immer wieder für seine ablehnende Haltung kritisiert wurde. Auf Nachfrage ordnete sie klar ein: „Wenn alle in Scharen von der Tabak- auf die E-Zigarette umsteigen würden, wäre das sicherlich ein Gewinn.“ Man brauche nicht darüber reden, dass das Dampfen besser als das Rauchen sei. Allerdings bleibt das DKFZ bei seinen in vielen Bereichen skeptischen Betrachtung. So sei die Wirksamkeit der E-Zigarette bei der Tabakentwöhnung möglich, aber nicht erwiesen. „Der duale Konsum scheint eher der Standard zu sein als der wirkliche Umstieg”, sagte Schaller. Eine wissenschaftliche Übersicht, die sogenannte Cochrane-Studie, komme zum Ergebnis, dass eine klare wissenschaftliche Einschätzung noch nicht möglich sei. Allerdings liefen derzeit 15 Studien zum Thema, es sei also bald mit mehr Klarheit zu rechnen. Auch den Jugendschutz sieht sie als Schwäche, so werde das Rauchritual durch die E-Zigarette einstudiert. Allgemein besteht aus Sicht des DKFZ die Gefahr, dass Nichtraucher über die E-Zigarette zum Rauchen gebracht werden. Dies wird in Fachkreisen als “Gateway-Hypothese” bezeichnet. Gateway bedeutet Tor oder Einfallstor.




Leonie Brose, Forscherin am King’s College in London und dem UK Centre for Tobacco and Alcohol Studies, zeichnete allerdings ein anderes Bild, basierend auf Daten aus Großbritannien. Die Zahl derjenigen, die niemals geraucht haben, aber dennoch häufig E-Zigaretten nutzen, sei „praktisch nicht messbar“, wie Befragungen von Jugendlichen aus Großbritannien ergeben hätten. Darüber hatte kürzlich auch die britische Professorin Linda Bauld auf einer Veranstaltung von eGarage.de berichtet. Zu der Einstellung, Abstinenz statt den Umstieg auf die E-Zigarette als einziges Ziel zu sehen, sagte sie als Vergleich: „Natürlich ist es am besten, keinen Sex zu haben, um Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten zu vermeiden. So etwas wie Kondome sind aber auch ein guter Ansatz.“ Brose drückte zudem ihre Verwunderung darüber aus, wie massiv zum Beispiel die Presse sich auf Negativmeldungen zur E-Zigarette stürze. Explodierende E-Zigaretten-Akkus würden instrumentalisiert, wenn Samsung aber Probleme mit seinen Handy-Akkus habe, „wird nicht gesagt, dass wir Telefone und Laptops abschaffen müssen“.

Die E-Zigarette als verführerischer Einstieg für Jugendliche: Dieser These widersprach auch die Forschung von Daniele Müller von der Goethe-Universität und Anna Dichtl von der Frankfurt University of Applied Sciences. Zwar ist die aktuell laufende Studie noch gar nicht abgeschlossen, in der Jugendliche zu ihrem Gebrauch der E-Zigarette befragt werden sollen, um weitere Erkenntnisse, auch über die Gateway-Hypothese, zu erlangen. Doch die Forscherinnen berichteten offen über die enormen Probleme. So habe es ein großes Desinteresse der Zielgruppe gegeben, im Gegensatz zu sonstigen Forschungsfeldern. Die Zielgruppe sei deshalb nicht erreicht worden und älter als geplant. Der Grund: Unter Jugendlichen ist die E-Zigarette und E-Shishas offenbar kein Thema mehr. Eine Aussage sei gewesen: „Da seid ihr drei Jahre zu spät dran.“ Ohnehin gilt inzwischen ein Verkaufsverbot an Jugendliche.

Frank Henkler vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist unter anderem für die Einschätzung der Produktrisiken von E-Zigaretten zuständig. Er betonte, wie schwierig es sei, die E-Zigarette zu kategorisieren. Die Tabakzigarette sei ein relativ stabiles, also einheitliches Produkt. E-Zigaretten dagegen sind inzwischen extrem unterschiedlich: Das Träufeln von Liquids direkt auf Heizdraht führe zum Beispiel zu völlig anderen toxikologischen Ergebnissen als nikotinfreie Einweg-E-Zigarette. Insgesamt, so der BfR-Experte, seien die gesundheitlichen Gefahren deutlich geringer als bei Tabakprodukten, das gesamte Schadstoffspektrum sei deutlich reduziert.

Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden Praxisergebnisse der IFT-Gesundheitsförderung, die Fortbildungen zu Rauchfrei-Kursleitern anbietet. Christoph Kröger, Chef des Ausbildungsinstituts, sagte es werde „keine explizite Empfehlung zum Einsatz der E-Zigarette geben“. Und: „Aufhörwilligen Rauchern, die an einer verhaltenstherapeutischen Gruppenbehandlung teilnehmen, sollte derzeit von einer Nutzung der E-Zigarette abgeraten werden.“ Was sich anhört wie ein klares Votum gegen die E-Zigarette als Rauchstopp-Hilfe, wurde aber von Kröger sehr differenziert dargestellt. So gehe es bei dieser Aussage nicht darum, ob die E-Zigarette beim Aufhören geeignet sei oder nicht. Auf eigene Faust könne man damit zum Beispiel durchaus erfolgreich sein. Es sei aber schwierig, die E-Zigarette mit klaren Aussagen in die Therapien einzubinden. Zudem verlangten die Kursteilnehmer klare Aussagen, die zur E-Zigarette aber nicht gegeben werden könnten.

Noch während der Veranstaltung sorgte deshalb eine Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums für Irritationen. Unter der Ankündigung „E-Zigarette hat negativen Einfluss auf Abstinenz“ hieß es unter Bezug auf die IFT-Zahlen, wer die E-Zigarette nutze, sei nach einem Jahr seltener rauchfrei (20 Prozent) als die übrigen Kursteilnehmenden (39 Prozent). Kröger hatte aber auf der Veranstaltung nicht widersprochen, als es zum Beispiel aus dem Publikum hieß, dies könne an einer einseitigen Vorauswahl („Selection Bias“) liegen oder dem speziellen Ablauf der Behandlungen, die die positiven Aspekte der Abstinenz explizit zum Teil des Therapie-Ablaufs machen.

Silke Kuhn vom Hamburger Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) stellte auf der Fachtagung die Ergebnisse einer Studie über die Konsumgewohnheiten von Dampfern vor. Dafür wurden mehr als 3000 Dampfer befragt, der Großteil wurde über die einschlägigen Foren kontaktiert. Repräsentativ ist die Befragung nicht, dennoch ist erstaunlich, wie viele der Befragten, 91 Prozent, komplett auf die E-Zigarette umgestiegen sind. Nur acht Prozent sind duale Nutzer von Tabak und Dampfe.

Weitere interessante Einsichten: Viele Dampfer stiegen zunächst mit Tabakaromen ein, wechselten dann aber zum Beispiel zu Frucht-Geschmäckern, auch, „um eine gewisse Distanz zum Rauchen zu schaffen. Da muss man vorsichtig sein, wenn man das grundsätzliche Einschränken von Aromen fordert“ Und, so Kuhn: „Bei denen, die E-Zigarette ausschließlich nutzen, will fast niemand den Konsum reduzieren.“

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20. October 2016By JJS

Die These, dass die E-Zigarette Jugendliche und Nichtraucher dauerhaft zum Nikotin bringt lässt sich aus wissenschaftlicher Sicht kaum noch halten. Das ist eines der Ergebnisse einer Fachtagung der Frankfurt University of Applied Sciences, auf der Experten den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammenfassten und diskutierten.

eGarage hat die wichtigsten Diskussionspunkte der von Professor Heino Stöver geleiteten Veranstaltung zusammengefasst.

Den Anfang machte Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum, das in der Vergangenheit von der Dampfer-Community immer wieder für seine ablehnende Haltung kritisiert wurde. Auf Nachfrage ordnete sie klar ein: „Wenn alle in Scharen von der Tabak- auf die E-Zigarette umsteigen würden, wäre das sicherlich ein Gewinn.“ Man brauche nicht darüber reden, dass das Dampfen besser als das Rauchen sei. Allerdings bleibt das DKFZ bei seinen in vielen Bereichen skeptischen Betrachtung. So sei die Wirksamkeit der E-Zigarette bei der Tabakentwöhnung möglich, aber nicht erwiesen. „Der duale Konsum scheint eher der Standard zu sein als der wirkliche Umstieg”, sagte Schaller. Eine wissenschaftliche Übersicht, die sogenannte Cochrane-Studie, komme zum Ergebnis, dass eine klare wissenschaftliche Einschätzung noch nicht möglich sei. Allerdings liefen derzeit 15 Studien zum Thema, es sei also bald mit mehr Klarheit zu rechnen. Auch den Jugendschutz sieht sie als Schwäche, so werde das Rauchritual durch die E-Zigarette einstudiert. Allgemein besteht aus Sicht des DKFZ die Gefahr, dass Nichtraucher über die E-Zigarette zum Rauchen gebracht werden. Dies wird in Fachkreisen als “Gateway-Hypothese” bezeichnet. Gateway bedeutet Tor oder Einfallstor.




Leonie Brose, Forscherin am King’s College in London und dem UK Centre for Tobacco and Alcohol Studies, zeichnete allerdings ein anderes Bild, basierend auf Daten aus Großbritannien. Die Zahl derjenigen, die niemals geraucht haben, aber dennoch häufig E-Zigaretten nutzen, sei „praktisch nicht messbar“, wie Befragungen von Jugendlichen aus Großbritannien ergeben hätten. Darüber hatte kürzlich auch die britische Professorin Linda Bauld auf einer Veranstaltung von eGarage.de berichtet. Zu der Einstellung, Abstinenz statt den Umstieg auf die E-Zigarette als einziges Ziel zu sehen, sagte sie als Vergleich: „Natürlich ist es am besten, keinen Sex zu haben, um Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten zu vermeiden. So etwas wie Kondome sind aber auch ein guter Ansatz.“ Brose drückte zudem ihre Verwunderung darüber aus, wie massiv zum Beispiel die Presse sich auf Negativmeldungen zur E-Zigarette stürze. Explodierende E-Zigaretten-Akkus würden instrumentalisiert, wenn Samsung aber Probleme mit seinen Handy-Akkus habe, „wird nicht gesagt, dass wir Telefone und Laptops abschaffen müssen“.

Die E-Zigarette als verführerischer Einstieg für Jugendliche: Dieser These widersprach auch die Forschung von Daniele Müller von der Goethe-Universität und Anna Dichtl von der Frankfurt University of Applied Sciences. Zwar ist die aktuell laufende Studie noch gar nicht abgeschlossen, in der Jugendliche zu ihrem Gebrauch der E-Zigarette befragt werden sollen, um weitere Erkenntnisse, auch über die Gateway-Hypothese, zu erlangen. Doch die Forscherinnen berichteten offen über die enormen Probleme. So habe es ein großes Desinteresse der Zielgruppe gegeben, im Gegensatz zu sonstigen Forschungsfeldern. Die Zielgruppe sei deshalb nicht erreicht worden und älter als geplant. Der Grund: Unter Jugendlichen ist die E-Zigarette und E-Shishas offenbar kein Thema mehr. Eine Aussage sei gewesen: „Da seid ihr drei Jahre zu spät dran.“ Ohnehin gilt inzwischen ein Verkaufsverbot an Jugendliche.

Frank Henkler vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist unter anderem für die Einschätzung der Produktrisiken von E-Zigaretten zuständig. Er betonte, wie schwierig es sei, die E-Zigarette zu kategorisieren. Die Tabakzigarette sei ein relativ stabiles, also einheitliches Produkt. E-Zigaretten dagegen sind inzwischen extrem unterschiedlich: Das Träufeln von Liquids direkt auf Heizdraht führe zum Beispiel zu völlig anderen toxikologischen Ergebnissen als nikotinfreie Einweg-E-Zigarette. Insgesamt, so der BfR-Experte, seien die gesundheitlichen Gefahren deutlich geringer als bei Tabakprodukten, das gesamte Schadstoffspektrum sei deutlich reduziert.

Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden Praxisergebnisse der IFT-Gesundheitsförderung, die Fortbildungen zu Rauchfrei-Kursleitern anbietet. Christoph Kröger, Chef des Ausbildungsinstituts, sagte es werde „keine explizite Empfehlung zum Einsatz der E-Zigarette geben“. Und: „Aufhörwilligen Rauchern, die an einer verhaltenstherapeutischen Gruppenbehandlung teilnehmen, sollte derzeit von einer Nutzung der E-Zigarette abgeraten werden.“ Was sich anhört wie ein klares Votum gegen die E-Zigarette als Rauchstopp-Hilfe, wurde aber von Kröger sehr differenziert dargestellt. So gehe es bei dieser Aussage nicht darum, ob die E-Zigarette beim Aufhören geeignet sei oder nicht. Auf eigene Faust könne man damit zum Beispiel durchaus erfolgreich sein. Es sei aber schwierig, die E-Zigarette mit klaren Aussagen in die Therapien einzubinden. Zudem verlangten die Kursteilnehmer klare Aussagen, die zur E-Zigarette aber nicht gegeben werden könnten.

Noch während der Veranstaltung sorgte deshalb eine Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums für Irritationen. Unter der Ankündigung „E-Zigarette hat negativen Einfluss auf Abstinenz“ hieß es unter Bezug auf die IFT-Zahlen, wer die E-Zigarette nutze, sei nach einem Jahr seltener rauchfrei (20 Prozent) als die übrigen Kursteilnehmenden (39 Prozent). Kröger hatte aber auf der Veranstaltung nicht widersprochen, als es zum Beispiel aus dem Publikum hieß, dies könne an einer einseitigen Vorauswahl („Selection Bias“) liegen oder dem speziellen Ablauf der Behandlungen, die die positiven Aspekte der Abstinenz explizit zum Teil des Therapie-Ablaufs machen.

Silke Kuhn vom Hamburger Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) stellte auf der Fachtagung die Ergebnisse einer Studie über die Konsumgewohnheiten von Dampfern vor. Dafür wurden mehr als 3000 Dampfer befragt, der Großteil wurde über die einschlägigen Foren kontaktiert. Repräsentativ ist die Befragung nicht, dennoch ist erstaunlich, wie viele der Befragten, 91 Prozent, komplett auf die E-Zigarette umgestiegen sind. Nur acht Prozent sind duale Nutzer von Tabak und Dampfe.

Weitere interessante Einsichten: Viele Dampfer stiegen zunächst mit Tabakaromen ein, wechselten dann aber zum Beispiel zu Frucht-Geschmäckern, auch, „um eine gewisse Distanz zum Rauchen zu schaffen. Da muss man vorsichtig sein, wenn man das grundsätzliche Einschränken von Aromen fordert“ Und, so Kuhn: „Bei denen, die E-Zigarette ausschließlich nutzen, will fast niemand den Konsum reduzieren.“

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