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Sonya Herrmann ist Communications Delegate des europäischen E-Zigaretten-Verbandes IEVA.

„Die große Sorge ist ein Aromenverbot“

3. November 2021By JJS

Wie steht es um die E-Zigaretten-Politik in Europa? Und was macht eigentlich der europäische Dampfer-Verband IEVA? Sonya Herrmann, die dort Communications Delegate ist – also für die Kommunikation verantwortlich ist – gibt im Interview ausführliche Antworten.




Auch, wenn die Vorgänge in Brüssel kompliziert sind und lange dauern: Die EU-Gesetzgebung ist am Ende ganz entscheidend für die Regeln, denen die Branche und damit auch die Dampfer in Europa und Deutschland folgen müssen. Und derzeit sind drei Bälle in der Luft: Die Mindestbesteuerung, die neue Tabakproduktrichtlinie und ein Ausschuss des Parlaments, der sich mit der Krebsbekämpfung beschäftigt.

eGarage: Frau Herrmann, der große Aufreger bei den politischen Regeln für die E-Zigarette und das Dampfen war dieses Jahr der Beschluss im Bundestag, kommendes Jahr eine Steuer auf E-Liquids einzuführen. Warum sind die EU und die Entscheidungen, die in Brüssel fallen, überhaupt wichtig?

Sonya Herrmann: Die EU strebt grundsätzlich eine Harmonisierung des EU-Binnenmarktes an. Das klingt etwas abstrakt, bedeutet aber ganz konkret, dass in Brüssel sehr darauf hingearbeitet wird, für alle Produkte und am Markt Beteiligten gleiche Bedingungen in allen Mitgliedsstaaten zu erreichen. Dies ist auch in den EU-Verträgen so vorgesehen. Und deshalb kann die EU in zahlreichen Bereichen mit Richtlinien und Verordnungen Vorgaben machen, die dann in den EU-Mitgliedsstaaten, also auch in Deutschland, gelten.

Beim Beispiel Deutschland sollte man die Frage umdrehen: Warum hat Deutschland nicht auf die EU gewartet, die ohnehin schon an einer Regelung zur Mindestbesteuerung arbeitet?

Mir fällt es schwer, den deutschen Vorstoß nachzuvollziehen. Wir haben jetzt in 14 europäischen Staaten eine E-Liquid-Steuer, sie liegt zwischen 1 Cent und 30 Cent pro Milliliter, teils bezogen auf Nikotin, teils nicht. 15 Cent pro Milliliter sind es im Durchschnitt. Deutschland kommt nach allen bereits beschlossenen Erhöhungen auf 32 Cent. Das passt kaum zum europäischen Niveau und gibt einen unnötigen Anreiz für illegale Umgehungen, bei denen im Ausland gekauft wird.

Welche Mindeststeuer bahnt sich denn in Brüssel an?

Es gab eine öffentliche Konsultation im Sommer, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Das Thema ist auf EU-Ebene für die Dampferinnen eher weit weg, weil es um alle möglichen Tabakverbrauchssteuern ging. Umso überraschender war es, dass von den 7000 Eingaben über 90 Prozent von Bürgerinnen und Bürgern und eben nicht von Unternehmen kamen. Das ist ein tolles Signal an die EU. Die Arbeit der Kommission interessiert die Leute. Die Zustimmung zur Harmonisierung der Steuern ist dabei übrigens etwa 50/50, rund die Hälfte der 7000 Teilnehmerinnen will also gar nicht, dass es zu einer EU-weiten Regelung und damit zu einer Mindeststeuer kommt. Eine kleine Mehrheit lehnt zudem Steuern auf nikotinfreie Liquids ab.

Wann fällt zur EU-Mindeststeuer die Entscheidung?

Das dauert noch eine Weile. Frühestens Ende dieses Jahrs erwarten wir einen Vorschlag der Europäischen Kommission, also der politisch unabhängigen Exekutive der EU, inwiefern das vorliegende Verbrauchssteuerngesetz für Tabakprodukte zu überarbeiten ist. Spätestens Anfang kommenden Jahres sollte es soweit sein. Das Ergebnis der erwähnten Konsultation ist dabei für die Kommission nicht bindend und vieles kann sehr weit interpretiert werden, aber es ist auf der anderen Seite auch nicht leicht für die Kommission, die Ergebnisse komplett zu ignorieren. Der Entwurf geht dann in den Europäischen Rat, in dem die nationalen Regierungschefs vertreten sind, und ins Europäische Parlament, welches die EU-Bürger direkt gewählt haben. Voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2022, spätestens der ersten Jahreshälfte 2023, werden diese dann ihre jeweilige Position erarbeiten. Dabei berät das EU-Parlament den Rat, der dann die finale Entscheidung über das Gesetz fällt, und zwar in Einstimmigkeit. Diese Entscheidung erwarten wir frühestens Ende 2022. Bis das Gesetz national Anwendung findet rechnen wir mit zwei weiteren Jahren bis 2024.

Ein langer Weg…

…ja, in der EU werden selten schnelle Entscheidungen getroffen. Das wirkt träge, ist aber auch wichtig, denn es müssen sich ja 27 Mitgliedsstaaten einigen und die Entscheidungen betreffen rund 500 Millionen Menschen.

Bei der zweiten Tabakproduktrichtlinie, der TPD2, bekamen Dampfer den langen Arm Europas sehr deutlich zu spüren. 2017 galten dann Dinge wie ein maximaler Nikotingehalt für Liquids, zehn Milliliter maximale Flaschengröße für nikotinhaltige Liquids und Vorgaben zur Produktregistrierung. Wann kommt die TPD3?

Da ist es ähnlich wie bei der Steuer. Die Kommission hat Konsultationen und eigene Studien durchgeführt. In diesem Rahmen erschien zum Beispiel der SCHEER-Report zu E-Zigaretten, der vielleicht der ein oder anderem Dampfer ein Begriff ist. Und ab Ende des Jahres rechnen wir mit einem Vorschlag, der dann in die Verhandlungen geht.

Wird das ein großer Hammer wie die TPD2 oder wird eher nachgeschärft?




 

Das lässt sich noch nicht seriös vorhersagen, aber es wird schwer für die Kommission, mit Änderungsvorstößen sehr weit zu gehen. Er muss ja auch von Rat und EU-Parlament zugestimmt werden. Hier gibt es nämlich – im Gegensatz zum besonderen Steuergesetzgebungsverfahren – einen klassischen Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat. Es wird vermutlich im grundlegenden um die Frage gehen, ob Dampfen und damit Harm Reduction anerkannt wird oder die – übrigens längst widerlegte – Gateway-These, dass Dampfen den Einstieg zum Rauchen ebnet, dominiert.

Was würde eine Ausrichtung, in die eine oder andere Richtung, für Konsequenzen haben?

Vor diesem Hintergrund könnten dann Aromenverbote, Maximalmengen und Verpackungsvorgaben, also Einheitsverpackungen, diskutiert werden.  Die große Sorge, die die Dampfer und die E-Zigaretten-Branche umtreibt, ist ja, dass es zu einem vollständigen oder teilweisen Aromen-Verbot kommen könnte. Dies ginge meiner Meinung nach jedoch sehr weit in die nationale Gesetzgebung und die Zustimmung dafür wäre entsprechend ungewiss. Auch, weil Aromenverbote das Dampfen natürlich deutlich unattraktiver für viele Noch-Raucher machen würde – und damit letztlich der Tabakzigarette helfen würde. Aber auch juristisch ist die Definition von verbotenen Aromen nicht ganz einfach, was die Arbeit an der TPD3 sehr kompliziert machen würde. Ich bin vorsichtig optimistisch, indem ich derzeit auf Rahmenvorgaben hoffe, die zum Beispiel bestimmte Stoffgruppen oder Süßstoffe als Liquidzutat ausschließen, statt ganzer Aromenverbote, auch wenn ich denke, dass es für seriöse Prognosen noch zu früh ist.

Der dritte Ball in der Luft ist die parlamentarische Arbeitsgruppe Beating Cancer, kurz BECA, die derzeit einen Plan erarbeitet, wie Krebserkrankungen in Europa effektiver begegnet werden kann. Da könnten E-Zigaretten als Harm-Reduction für Raucher eine Rolle spielen. Wie ist der Stand bei der Tabakprävention?

Wir setzen uns als Verband IEVA sehr stark dafür ein, dass die E-Zigarette mit der Tabakzigarette auf keinen Fall über einen Kamm geschoren wird. Das ist als Basis schon einmal ganz wichtig. BECA ist für uns ein wichtiger Gradmesser. Wenn die E-Zigarette als Mittel zur Harm Reduction auftaucht – was aus meiner Sicht nur logisch und konsequent wäre – dann wäre das ein guter Schritt. Wenn die E-Zigarette dagegen nur als Gateway zum Rauchen eine Rolle spielt – was nicht von der Faktenlage gedeckt ist – wäre das eine große Enttäuschung. Also: BECA beschließt keine „E-Zigaretten-Gesetze“, aber es ist eine wichtige Grundlage für das Verhalten des Europaparlaments in den ganz wichtigen Entscheidungen der kommenden Jahre, da die Gruppe durchaus wichtige Vorschläge macht. Zum Stand: Voraussichtlich Anfang Dezember wird es einen neuen Vorschlag für den BECA-Plan geben.

Wozu braucht es die 2018 gegründete IEVA, was wollen Sie erreichen?

Es braucht die IEVA, weil es vorher keine tabakunabhängige Interessensvertretung in Brüssel gab. Wir sorgen dafür, dass es eine Stimme gibt, die nicht die Zigarette im Hinterkopf hat und auch nicht mit ihr gleichgesetzt wird. Wir repräsentieren die mittelständisch geprägte europäische E-Zigaretten-Branche. Und wir repräsentieren damit natürlich auch ein Stück weit die Bedürfnisse der Dampferinnen und Dampfer in Europa. Wie wichtig das ist, zeigen die vielen Regeln und Gesetze, über die wir gerade gesprochen haben. Jeder weiß zum Beispiel: Ein Aromenverbot wäre verheerend. Es ist leider nicht so, dass jeder Parlamentarier hier in Brüssel mit dem Thema Harm Reduction vertraut ist. Wir klären auf mit dem Ziel, dass die Entscheidungen auf einer informierten Basis pro Harm Reduction getroffen werden.

Sammeln Sie auch Informationen, die Sie weiterreichen in die Mitgliedsländer?

Ja, es geht auch in die andere Richtung: Wir bekommen zum Beispiel hier in Brüssel mit, wie wichtig der Green Deal ist, das EU-Programm für den Klimaschutz. Natürlich steht das erstmal nicht im Fokus, aber auch die E-Zigaretten-Branche muss sich damit auseinandersetzen, wie ihre Produkte in Zukunft klimaneutral hergestellt werden können. Diese Informationen und die Lagebewertung transportieren wir wiederum in die Mitgliedsstaaten. Wir sind damit eine Brücke zwischen EU-Politik und den nationalen Unternehmern und Unternehmerinnen, die ihr Geschäft langfristig und nachhaltig planen möchten.

In Deutschland unterstützt der Dampferverband BfTG, für den Sie auch arbeiten, und der VdeH die IEVA, hinzu kommen noch einzelne Unternehmen. Aus wie vielen EU-Ländern wird die IEVA sonst noch unterstützt?

Wir haben 25 Mitglieder, hauptsächlich die Handelsverbände, aus 15 europäischen Ländern. Neben Deutschland sind Spanien, Frankreich, Irland, Belgien, Polen, Italien, Rumänien, Dänemark, die Niederlande, Griechenland, Litauen, Lettland und seit neuestem Bulgarien dabei. Trotz Brexit ist aus als nicht-EU-Land zudem ein britisches Unternehmen mit an Bord sowie ein US-amerikanisches Unternehmen und einige chinesische.

Warum gerade China?

Das ergibt sehr viel Sinn, weil dort die meisten großen Hardware-Hersteller sitzen. Viele Fragen der Normung und Regulierung betreffen China, da diese dort umgesetzt werden müssen. Die Beteiligung von chinesischen Herstellern im Verband hilft dabei, gemeinsam sicher zu stellen, dass wir hier in Europa Produkte haben, die allen Vorgaben entsprechen. Europa hat hohe Ansprüche an die Produktsicherheit, was natürlich gut ist.

Sie haben durch die vielen Mitglieder aus fast ganz Europa einen guten Überblick über die Diskussionen in den jeweiligen Ländern. Ist die Lage ähnlich wie in Deutschland – viel Zuspruch, aber auch viel Kritik und nicht immer eine faire Faktenbeurteilung?

Im Großen und Ganzen ja, ähnlich. In einigen Ländern ist die Lage entspannter, dafür in einigen auch schwieriger. Beispielsweise wird ein Aromenverbot in Litauen sehr konkret diskutiert, auch in den Niederlanden. Dort wird zudem Plain Packaging diskutiert, also die Verwendung von werbe- und designfreien Einheitsverpackungen. Und zum Beispiel in Belgien gibt es ein Online-Vertriebsverbot. Ein Muster – zum Beispiel strenger in Osteuropa oder laxer im Süden – lässt sich aber nicht erkennen.

Wie sind Sie persönlich zu Ihrer Arbeit bei der IEVA gekommen?

Von Haus aus bin ich Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin und habe mit dem Schwerpunkt EU-Integration und Politikwissenschaft studiert. Das hat für die Arbeit in der IEVA natürlich gut gepasst. Angefangen habe ich allerdings im Marketing bei InnoCigs, nach und nach habe ich immer mehr für den BfTG gearbeitet. Als die IEVA Gründung mit dem rumänischen und dem französischen Verband sowie dem BfTG startete, konnte ich im Prozess unterstützen und wurde zudem zur offiziellen Communication Delegate.

Und wie oft sind Sie in Brüssel?

Vor Corona? Ein bis zwei Mal pro Monat. Jetzt versuche ich, zumindest hin und wieder hier zu sein, das ist mir aber erst diesen Sommer das erste Mal wieder gelungen. Und wir versuchen, zu den nationalen Verbänden zu reisen und möglichst regelmäßig vor Ort zu sein. Das hilft unheimlich, ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, was die Branche bewegt. Diese Begegnungen haben mir gefehlt und ich freue mich, dass es wieder losgeht!

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3. November 2021By JJS

Wie steht es um die E-Zigaretten-Politik in Europa? Und was macht eigentlich der europäische Dampfer-Verband IEVA? Sonya Herrmann, die dort Communications Delegate ist – also für die Kommunikation verantwortlich ist – gibt im Interview ausführliche Antworten.




Auch, wenn die Vorgänge in Brüssel kompliziert sind und lange dauern: Die EU-Gesetzgebung ist am Ende ganz entscheidend für die Regeln, denen die Branche und damit auch die Dampfer in Europa und Deutschland folgen müssen. Und derzeit sind drei Bälle in der Luft: Die Mindestbesteuerung, die neue Tabakproduktrichtlinie und ein Ausschuss des Parlaments, der sich mit der Krebsbekämpfung beschäftigt.

eGarage: Frau Herrmann, der große Aufreger bei den politischen Regeln für die E-Zigarette und das Dampfen war dieses Jahr der Beschluss im Bundestag, kommendes Jahr eine Steuer auf E-Liquids einzuführen. Warum sind die EU und die Entscheidungen, die in Brüssel fallen, überhaupt wichtig?

Sonya Herrmann: Die EU strebt grundsätzlich eine Harmonisierung des EU-Binnenmarktes an. Das klingt etwas abstrakt, bedeutet aber ganz konkret, dass in Brüssel sehr darauf hingearbeitet wird, für alle Produkte und am Markt Beteiligten gleiche Bedingungen in allen Mitgliedsstaaten zu erreichen. Dies ist auch in den EU-Verträgen so vorgesehen. Und deshalb kann die EU in zahlreichen Bereichen mit Richtlinien und Verordnungen Vorgaben machen, die dann in den EU-Mitgliedsstaaten, also auch in Deutschland, gelten.

Beim Beispiel Deutschland sollte man die Frage umdrehen: Warum hat Deutschland nicht auf die EU gewartet, die ohnehin schon an einer Regelung zur Mindestbesteuerung arbeitet?

Mir fällt es schwer, den deutschen Vorstoß nachzuvollziehen. Wir haben jetzt in 14 europäischen Staaten eine E-Liquid-Steuer, sie liegt zwischen 1 Cent und 30 Cent pro Milliliter, teils bezogen auf Nikotin, teils nicht. 15 Cent pro Milliliter sind es im Durchschnitt. Deutschland kommt nach allen bereits beschlossenen Erhöhungen auf 32 Cent. Das passt kaum zum europäischen Niveau und gibt einen unnötigen Anreiz für illegale Umgehungen, bei denen im Ausland gekauft wird.

Welche Mindeststeuer bahnt sich denn in Brüssel an?

Es gab eine öffentliche Konsultation im Sommer, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. Das Thema ist auf EU-Ebene für die Dampferinnen eher weit weg, weil es um alle möglichen Tabakverbrauchssteuern ging. Umso überraschender war es, dass von den 7000 Eingaben über 90 Prozent von Bürgerinnen und Bürgern und eben nicht von Unternehmen kamen. Das ist ein tolles Signal an die EU. Die Arbeit der Kommission interessiert die Leute. Die Zustimmung zur Harmonisierung der Steuern ist dabei übrigens etwa 50/50, rund die Hälfte der 7000 Teilnehmerinnen will also gar nicht, dass es zu einer EU-weiten Regelung und damit zu einer Mindeststeuer kommt. Eine kleine Mehrheit lehnt zudem Steuern auf nikotinfreie Liquids ab.

Wann fällt zur EU-Mindeststeuer die Entscheidung?

Das dauert noch eine Weile. Frühestens Ende dieses Jahrs erwarten wir einen Vorschlag der Europäischen Kommission, also der politisch unabhängigen Exekutive der EU, inwiefern das vorliegende Verbrauchssteuerngesetz für Tabakprodukte zu überarbeiten ist. Spätestens Anfang kommenden Jahres sollte es soweit sein. Das Ergebnis der erwähnten Konsultation ist dabei für die Kommission nicht bindend und vieles kann sehr weit interpretiert werden, aber es ist auf der anderen Seite auch nicht leicht für die Kommission, die Ergebnisse komplett zu ignorieren. Der Entwurf geht dann in den Europäischen Rat, in dem die nationalen Regierungschefs vertreten sind, und ins Europäische Parlament, welches die EU-Bürger direkt gewählt haben. Voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2022, spätestens der ersten Jahreshälfte 2023, werden diese dann ihre jeweilige Position erarbeiten. Dabei berät das EU-Parlament den Rat, der dann die finale Entscheidung über das Gesetz fällt, und zwar in Einstimmigkeit. Diese Entscheidung erwarten wir frühestens Ende 2022. Bis das Gesetz national Anwendung findet rechnen wir mit zwei weiteren Jahren bis 2024.

Ein langer Weg…

…ja, in der EU werden selten schnelle Entscheidungen getroffen. Das wirkt träge, ist aber auch wichtig, denn es müssen sich ja 27 Mitgliedsstaaten einigen und die Entscheidungen betreffen rund 500 Millionen Menschen.

Bei der zweiten Tabakproduktrichtlinie, der TPD2, bekamen Dampfer den langen Arm Europas sehr deutlich zu spüren. 2017 galten dann Dinge wie ein maximaler Nikotingehalt für Liquids, zehn Milliliter maximale Flaschengröße für nikotinhaltige Liquids und Vorgaben zur Produktregistrierung. Wann kommt die TPD3?

Da ist es ähnlich wie bei der Steuer. Die Kommission hat Konsultationen und eigene Studien durchgeführt. In diesem Rahmen erschien zum Beispiel der SCHEER-Report zu E-Zigaretten, der vielleicht der ein oder anderem Dampfer ein Begriff ist. Und ab Ende des Jahres rechnen wir mit einem Vorschlag, der dann in die Verhandlungen geht.

Wird das ein großer Hammer wie die TPD2 oder wird eher nachgeschärft?




 

Das lässt sich noch nicht seriös vorhersagen, aber es wird schwer für die Kommission, mit Änderungsvorstößen sehr weit zu gehen. Er muss ja auch von Rat und EU-Parlament zugestimmt werden. Hier gibt es nämlich – im Gegensatz zum besonderen Steuergesetzgebungsverfahren – einen klassischen Trilog zwischen Kommission, Parlament und Rat. Es wird vermutlich im grundlegenden um die Frage gehen, ob Dampfen und damit Harm Reduction anerkannt wird oder die – übrigens längst widerlegte – Gateway-These, dass Dampfen den Einstieg zum Rauchen ebnet, dominiert.

Was würde eine Ausrichtung, in die eine oder andere Richtung, für Konsequenzen haben?

Vor diesem Hintergrund könnten dann Aromenverbote, Maximalmengen und Verpackungsvorgaben, also Einheitsverpackungen, diskutiert werden.  Die große Sorge, die die Dampfer und die E-Zigaretten-Branche umtreibt, ist ja, dass es zu einem vollständigen oder teilweisen Aromen-Verbot kommen könnte. Dies ginge meiner Meinung nach jedoch sehr weit in die nationale Gesetzgebung und die Zustimmung dafür wäre entsprechend ungewiss. Auch, weil Aromenverbote das Dampfen natürlich deutlich unattraktiver für viele Noch-Raucher machen würde – und damit letztlich der Tabakzigarette helfen würde. Aber auch juristisch ist die Definition von verbotenen Aromen nicht ganz einfach, was die Arbeit an der TPD3 sehr kompliziert machen würde. Ich bin vorsichtig optimistisch, indem ich derzeit auf Rahmenvorgaben hoffe, die zum Beispiel bestimmte Stoffgruppen oder Süßstoffe als Liquidzutat ausschließen, statt ganzer Aromenverbote, auch wenn ich denke, dass es für seriöse Prognosen noch zu früh ist.

Der dritte Ball in der Luft ist die parlamentarische Arbeitsgruppe Beating Cancer, kurz BECA, die derzeit einen Plan erarbeitet, wie Krebserkrankungen in Europa effektiver begegnet werden kann. Da könnten E-Zigaretten als Harm-Reduction für Raucher eine Rolle spielen. Wie ist der Stand bei der Tabakprävention?

Wir setzen uns als Verband IEVA sehr stark dafür ein, dass die E-Zigarette mit der Tabakzigarette auf keinen Fall über einen Kamm geschoren wird. Das ist als Basis schon einmal ganz wichtig. BECA ist für uns ein wichtiger Gradmesser. Wenn die E-Zigarette als Mittel zur Harm Reduction auftaucht – was aus meiner Sicht nur logisch und konsequent wäre – dann wäre das ein guter Schritt. Wenn die E-Zigarette dagegen nur als Gateway zum Rauchen eine Rolle spielt – was nicht von der Faktenlage gedeckt ist – wäre das eine große Enttäuschung. Also: BECA beschließt keine „E-Zigaretten-Gesetze“, aber es ist eine wichtige Grundlage für das Verhalten des Europaparlaments in den ganz wichtigen Entscheidungen der kommenden Jahre, da die Gruppe durchaus wichtige Vorschläge macht. Zum Stand: Voraussichtlich Anfang Dezember wird es einen neuen Vorschlag für den BECA-Plan geben.

Wozu braucht es die 2018 gegründete IEVA, was wollen Sie erreichen?

Es braucht die IEVA, weil es vorher keine tabakunabhängige Interessensvertretung in Brüssel gab. Wir sorgen dafür, dass es eine Stimme gibt, die nicht die Zigarette im Hinterkopf hat und auch nicht mit ihr gleichgesetzt wird. Wir repräsentieren die mittelständisch geprägte europäische E-Zigaretten-Branche. Und wir repräsentieren damit natürlich auch ein Stück weit die Bedürfnisse der Dampferinnen und Dampfer in Europa. Wie wichtig das ist, zeigen die vielen Regeln und Gesetze, über die wir gerade gesprochen haben. Jeder weiß zum Beispiel: Ein Aromenverbot wäre verheerend. Es ist leider nicht so, dass jeder Parlamentarier hier in Brüssel mit dem Thema Harm Reduction vertraut ist. Wir klären auf mit dem Ziel, dass die Entscheidungen auf einer informierten Basis pro Harm Reduction getroffen werden.

Sammeln Sie auch Informationen, die Sie weiterreichen in die Mitgliedsländer?

Ja, es geht auch in die andere Richtung: Wir bekommen zum Beispiel hier in Brüssel mit, wie wichtig der Green Deal ist, das EU-Programm für den Klimaschutz. Natürlich steht das erstmal nicht im Fokus, aber auch die E-Zigaretten-Branche muss sich damit auseinandersetzen, wie ihre Produkte in Zukunft klimaneutral hergestellt werden können. Diese Informationen und die Lagebewertung transportieren wir wiederum in die Mitgliedsstaaten. Wir sind damit eine Brücke zwischen EU-Politik und den nationalen Unternehmern und Unternehmerinnen, die ihr Geschäft langfristig und nachhaltig planen möchten.

In Deutschland unterstützt der Dampferverband BfTG, für den Sie auch arbeiten, und der VdeH die IEVA, hinzu kommen noch einzelne Unternehmen. Aus wie vielen EU-Ländern wird die IEVA sonst noch unterstützt?

Wir haben 25 Mitglieder, hauptsächlich die Handelsverbände, aus 15 europäischen Ländern. Neben Deutschland sind Spanien, Frankreich, Irland, Belgien, Polen, Italien, Rumänien, Dänemark, die Niederlande, Griechenland, Litauen, Lettland und seit neuestem Bulgarien dabei. Trotz Brexit ist aus als nicht-EU-Land zudem ein britisches Unternehmen mit an Bord sowie ein US-amerikanisches Unternehmen und einige chinesische.

Warum gerade China?

Das ergibt sehr viel Sinn, weil dort die meisten großen Hardware-Hersteller sitzen. Viele Fragen der Normung und Regulierung betreffen China, da diese dort umgesetzt werden müssen. Die Beteiligung von chinesischen Herstellern im Verband hilft dabei, gemeinsam sicher zu stellen, dass wir hier in Europa Produkte haben, die allen Vorgaben entsprechen. Europa hat hohe Ansprüche an die Produktsicherheit, was natürlich gut ist.

Sie haben durch die vielen Mitglieder aus fast ganz Europa einen guten Überblick über die Diskussionen in den jeweiligen Ländern. Ist die Lage ähnlich wie in Deutschland – viel Zuspruch, aber auch viel Kritik und nicht immer eine faire Faktenbeurteilung?

Im Großen und Ganzen ja, ähnlich. In einigen Ländern ist die Lage entspannter, dafür in einigen auch schwieriger. Beispielsweise wird ein Aromenverbot in Litauen sehr konkret diskutiert, auch in den Niederlanden. Dort wird zudem Plain Packaging diskutiert, also die Verwendung von werbe- und designfreien Einheitsverpackungen. Und zum Beispiel in Belgien gibt es ein Online-Vertriebsverbot. Ein Muster – zum Beispiel strenger in Osteuropa oder laxer im Süden – lässt sich aber nicht erkennen.

Wie sind Sie persönlich zu Ihrer Arbeit bei der IEVA gekommen?

Von Haus aus bin ich Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin und habe mit dem Schwerpunkt EU-Integration und Politikwissenschaft studiert. Das hat für die Arbeit in der IEVA natürlich gut gepasst. Angefangen habe ich allerdings im Marketing bei InnoCigs, nach und nach habe ich immer mehr für den BfTG gearbeitet. Als die IEVA Gründung mit dem rumänischen und dem französischen Verband sowie dem BfTG startete, konnte ich im Prozess unterstützen und wurde zudem zur offiziellen Communication Delegate.

Und wie oft sind Sie in Brüssel?

Vor Corona? Ein bis zwei Mal pro Monat. Jetzt versuche ich, zumindest hin und wieder hier zu sein, das ist mir aber erst diesen Sommer das erste Mal wieder gelungen. Und wir versuchen, zu den nationalen Verbänden zu reisen und möglichst regelmäßig vor Ort zu sein. Das hilft unheimlich, ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, was die Branche bewegt. Diese Begegnungen haben mir gefehlt und ich freue mich, dass es wieder losgeht!

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