Am Freitag wird die Deputats-Frage, die Steuerfreiheit von Tabakzigaretten für Beschäftigte der Tabakbranche im Rechnungsprüfungsausschuss, ein Sonderausschuss des Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages geklärt.
eGarage hatte bereits darüber berichtet – jetzt ist das Problem auch in Brüssel angekommen, wie der Korrespondent von Stuttgarter Zeitung, Markus Grabitz, weiß. Schließlich bedient man sich der Entscheidungen der EU mal so mal so, wie es halt gerade passt.
Eigentlich ist aber schon alles entschieden, denn das Bundesministerium für Finanzen unter Führung des SDP-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz machte Druck auf die Entscheidungsträger im Ausschuss, wie es hinter vorgehaltener Hand heißt.
Das Papier zur 29. Sitzung am 07. Mai 2021 trägt die Überschrift: „Vorlage des Bundesministeriums der Finanzen/Vorlage des Bundesrechnungshofes Steuervorteile für Tabakindustrie abschaffen“. Der Druck
geht sogar so weit, dass die Beschlussvorlage für den Ausschuss, die eGarage vorliegt, in einem
wichtigen Punkt verändert, nämlich gestrichen wurde. Und zwar genau dort, wo es wehtut.
Wir zitieren hier gerne, was unter Punkt 2 weggefallen ist: „Der Ausschuss missbilligt die beharrliche Weigerung des Bundesministeriums für Finanzen, die Beschlüsse des Ausschusses vom 16. März 2018, 27. September 2019 und 19. Juni 2020 vollständig umzusetzen. Der Bundesministerium der Finanzen hat zwar einen Referentenentwurf zur Änderung des Tabaksteuergesetzes vorgelegt, die Aufhebung der Steuerbefreiung für Tabakdeputate darin aber nicht vorgesehen.“
Unter weiter heißt es unter dem neuen Punkt 3, ehedem Punkt 4, dass das BMF vom Ausschuss aufgefordert wird, bis zum 31. Januar 2022 einen Bericht vorzulegen. Gleichzeitig soll das Ministerium nämlich im Rahmen der Neufassung der EU-Tabaksteuerrichtlinie die Steuerbefreiung abschaffen.
Wie duldsam nach so vielen gescheiterten Versuchen der Ausschuss sich doch zeigt, aber es gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Vielleicht klappt es ja beim vierten Versuch des Rechnungsprüfungsausschusses oder für den Bundesrechnungshof nach sage und schreibe 33 Jahren.
Und was hat das mit der Besteuerung von nikotinhaltigen Liquids zu tun? Einerseits argumentiert das BMF, dass man mit der Regelung der Deputatsfrage für 6.000 deutsche Beschäftigte der Tabakbranche gerne auf die Entscheidung aus Brüssel von wegen Harmonisierung warten möchte. Andererseits gilt genau diese Geduld nicht für die nikotinhaltigen Liquids und die dramatischen und ruinösen Steuerpläne des Kanzlerkandidaten. Es drängt sich nahezu der Begriff der Doppelzüngigkeit auf: Zwei ähnliche Sujets erfahren mit unterschiedlichen Begründungen, die sich je nach Gusto am gleichen Mitspieler orientieren, ganz gegensätzliche Behandlungen. Mal will man zum Gesundheitsschutz nicht auf Brüssel warten und macht im Alleingang drastische Steuererhöhungsvorschläge, mal will man gerne auf den Vorschlag aus Brüssel aus Harmonisierungsgründen warten. Würde es sich um eine Oppositionspartei mit ehedem drei Punkten handeln, wäre man schnell beim Begriff „Klientelpolitik“.
Und so bleibt die berühmte Cicero-Frage nach cui bono, wem nützt das – jenseits der Tabakmitarbeiter? Man müsste schon sehr bösartig sein, würde man das Tabakwerbeverbot nun ins Spiel bringen. Dort wurde nämlich verschiedentlich nicht nur seitens der Opposition versucht, auch das Sponsoring von Parteitagen zu verbieten, was kläglich scheiterte.
Vielleicht kann man, um die klammen Kassen aufzufüllen, auch mal etwas originell und kreativ sein und doch auch noch beim Nachbarn lernen. Diesmal bei Frankreich, wie ein Insider vorschlug. Seit August letzten Jahres hat Paris die Freimengen für innereuropäische Tabakeinfuhren einfach geviertelt, also nur noch 200 Glimmstängel gleich eine Stange statt ehedem 800 Zigaretten gleich vier Stangen. So verbleiben dann doch mehr Euros im französischen Staatssäckel – und mit der europaweiten Harmonisierung der Tabaksteuer, die damals Grund für die hohen Freimengen waren, wird es ohnehin noch dauern.
Und zu guter Letzt haben wir noch ein exklusives Statment des stellvertretenden Vorsitzenden der NGG – Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten – Freddy Adjan: „Die Beschäftigten in der Cigarettenindustrie haben laut Tarifvertrag einen Anspruch auf 600 Freicigaretten monatlich, die als geldwerter Vorteil gelten und bis zu einer Freigrenze von 1080 Euro jährlich steuerfrei sind. Ähnliches gilt für Haustrunk, Tankgutscheine oder Rabatte für Beschäftigte in anderen Branchen. Jetzt die Steuerbefreiung nur für die Cigarettenindustrie abschaffen zu wollen, ist eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Beschäftigten. Sie stellen ein legales Produkt her, das frei verkäuflich ist. Wir sehen nicht ein, weshalb sie bei dem Produkt, das sie selbst herstellen, nicht genauso behandelt werden, wie Beschäftigte in Baumärkten, Reisebüros, im Versandhandel oder in Brauereien.“