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9. eGarage Insight: Neue Forschungsergebnisse, Disposables und Steuerdebatte
Für die E-Zigarette stehen wichtige politische Entscheidungen an, von Aromenregulierung über eine mögliche Änderung der Besteuerung bis hin zum Verbot von Einweg-E-Zigaretten. Darüber – und über die wissenschaftlichen Grundlagen, die diese Entscheidungen untermauern sollten – diskutierten am Mittwoch bei der 9. eGarage Insight fünf politische Vertreter aus dem Bundestag und vier Experten.
Den Impuls gab Lion Shahab, Professor für Gesundheitspsychologie am University College London und einer der weltweit meistzitierten Forscher zum Thema Harm Reduction. Zunächst stellte er in seinem auf Englisch gehaltenen Vortrag klar: Der Verbrennungsvorgang ist das, was Zigaretten so schädlich macht. E-Zigaretten seien ebenfalls nicht ungefährlich – aber Biomarker, die gute Rückschlüsse auf die Schädlichkeit geben, seien um 70 bis 90 Prozent reduziert.
Bezüglich zahlreicher Risiken gebe es sogar „keinen Unterschied“ zwischen Dampfern und Nichtdampfern, sagte Shahab. Allerdings betonte er ebenfalls: Um letztgültige Antworten über die gesundheitlichen Auswirkungen zu haben, würden noch Jahrzehnte vergehen. Dass E-Zigaretten kein „substanzielles Risiko“ darstellten, sei nicht definitiv bewiesen, aber es sei davon auszugehen.
Positiver Umgang kann Rauchstopp-Rate steigern
Helfen E-Zigaretten beim Rauchstopp? Ja, das sei inzwischen unter anderem über einen Cochrane Review, der als Goldstandard für evidenzbasierte Medizin gilt, gut nachgewiesen. Die Rauchstopp-Rate steigere sich beim Einsatz von E-Zigaretten auf rund das Doppelte. Besonders effektiv seien sie in Kombination mit Gesprächstherapien, die zu einer Verdreifachung der Stopprate im Vergleich zu anderen Methoden führten. Allerdings seien die Untersuchungen nur ein starker Hinweis – deshalb sei der Blick auf reale Auswirkungen wichtig.
In Großbritannien, so Shahab weiter, habe die weite Verbreitung der E-Zigarette bei Rauchstopps zu klaren realen Ergebnisse geführt, die wissenschaftlich untersucht wurden. 34 Prozent der rund sieben Millionen Raucher hätten 2019 versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, davon wiederum 35 Prozent hätten diese mit der E-Zigarette versucht. Etwa 15.000 Rauchern zusätzlich sei so der Abschied von der Zigarette gelungen, fasste er zusammen. Insgesamt sei in Ländern, die die E-Zigarette unterstützten, zu beobachten, dass sich die gewöhnlich erwartete Rauchstopp-Rate etwa verdoppele im Vergleich zu anderen Staaten.
Wie gefährlich ist der sogenannte Gateway-Effekt, also die Gefahr, dass Dampfer, die nicht geraucht haben, zu Rauchern werden? Hier betonte Shahab, dass die Raucherraten in den USA weiter und zeitweise sogar besonders stark gefallen seien in der Zeit, in der die Juul-E-Zigarette dort besonders populär geworden sei. Die sinkenden Rauchquoten gälten auch für Jugendliche, bei denen Juul besonders große Verbreitung gefunden hatte. Seine abschließende Zusammenfassung: „Die besten derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse legen nahe, dass E-Zigaretten einen positiven Effekt auf die öffentliche Gesundheit haben.“
Schwere Defizite der deutschen Tabakpolitik
Auf Nachfrage sagte Shahab, dass die deutsche Tabakkontrollpolitik aus seiner Sicht Defizite aufweise. Zigaretten seien vergleichsweise günstig, anders als zum Beispiel in Großbritannien, und Werbung sei zum Beispiel in Geschäften noch erlaubt. Während die Raucherquote in Deutschland um die 30 Prozent liege, sei sie in Großbritannien nicht einmal mehr halb so hoch. „Es geht um deutlich mehr als E-Zigaretten“, sagte er.
Professor Martin Storck, Chef der Gefäß- und Thoraxchirurgie am Klinikum Karlsruhe, betonte, dass die Gefäßpatienten, die dort behandelt würden, zu etwa 90 Prozent Raucher seien. „Unsere Fachgesellschaft hat sich des Themas verstärkt angenommen“, sagte er. Denn die E-Zigarette sei ein „Tool“, das verstärkt auch durch Ärzte angeboten werden müsse. Nur acht Prozent der Raucher wollten aufhören, die E-Zigarette könne dabei helfen, das Risiko für einen Teil der anderen zu reduzieren. „Ein einfaches Gespräch hilft oft nicht, um Einsicht zu schaffen“ bei den Patienten, sagte er, das sei „frustrierend“.
Debatte um die Behandlungsleitlinien
Eine wichtige Baustelle im deutschen Gesundheitssystem sind aus seiner Sicht die Behandlungsleitlinien für Ärzte, die Raucher behandeln. Trotz überzeugender Daten aus anderen Ländern werde die E-Zigarette nur in zweiter Linie empfohlen. Aufgrund der neuen Forschungsergebnisse müssten die Leitlinien „eigentlich schon wieder überarbeitet werden“, sagte er. Zudem brauche es wie in Großbritannien bessere epidemiologische Daten.
Einen Beitrag werde eine in Aachen angelaufene Studie leisten, die auf der vorigen eGarage Insight vorgestellt worden war. Sie wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit zwei Millionen Euro gefördert und enthält die E-Zigarette als „Option, wenn andere Verfahren nicht greifen“. Dann habe man auch aus Deutschland Daten über die Wirksamkeit von E-Zigaretten als zusätzlicher Rauchstopp-Option. Allerdings würde es bis zu den finalen Ergebnissen noch einige Jahre dauern.
PD Dr. Tobias Rüther, Leiter der Tabakambulanz am Universitätsklinikum München, betonte ähnlich wie Shahab die Tabakkontrolle als wichtigsten Schwerpunkt. Die Zigarette müsse „aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden“, sagte er. Das bedeute auch, dass weitere Steuererhöhungen notwendig seien. „Mit jedem Cent, die Zigaretten teurer werden, rettet man Menschenleben“, sagte Rüther. Er sei der letzte, der sagen würde „steigt nicht um“, sagte Rüther zur Option E-Zigarette. Denn den Rauchstopp ohne Ersatz „können nicht alle, wollen nicht alle, schaffen nicht alle“.
Rüther: Nikotin von Jugendlichen fernhalten
Allerdings betonte Rüther, der eine rosafarbene Einweg-E-Zigarette zur Veranstaltung mitgebracht hatte und herumreichte: „Schauen Sie, dass Jugendliche nicht mit dem Suchtstoff Nikotin in Kontakt kommen!“ Denn Abhängigkeit entstehe in der Adoleszenz, im sich formenden Organismus. Derartige Produkte, die auf Jugendliche zielten, sollten aus seiner Sicht verboten werden.
Bezüglich der von Professor Storck angesprochenen Behandlungsleitlinien sagte Rüther, eine Fraktion unter den Autorinnen und Autoren, die die E-Zigarette sehr skeptisch sehe, habe eine modernere Ausrichtung verhindert – obwohl die Daten bezüglich der Wirksamkeit als Rauchstopp-Option „so klar“ seien. Nächstes Jahr begännen die Gespräche über eine Überarbeitung. Er erwarte, dass sich die Einschätzung „ändert“. Sei also Zeit vergeudet worden? „Ich denke ja“ antwortete Rüther.
Die Kommunikationsexpertin und Professorin Susanne Knorre von der Hochschule Osnabrück sagte, es sei grundsätzlich richtig, die Handlungsspektren auch beim Rauchstopp möglichst breit anzulegen. Kaum ein Gebiet sei so gut erforscht wie die Gesundheitskommunikation. Den Harm-Reduction-Ansatz übermäßig mit Warnungen und Angst zu behaften, werde die Wirkung möglicherweise zunichte gemacht. Bei starken Rauchern, denen der Rauchstopp anders nicht gelinge, sei deshalb ein „positives Framing“ wichtig. Zudem betonte sie die Notwendigkeit von gewissen Kompromissen. „Gibt man den konsensualen und positiven Effekt der Harm Reduction auf, nur weil es unbeabsichtigte Nebenwirkungen gibt?“
Sorgen in der SPD um die Jugendlichen und Aromen
Wie schätzen die Vertreter aus dem Bundestag die Debatte ein? Rita Hagl-Kehl, zuständige Berichterstatterin im Ausschuss Ernährung & Landwirtschaft, sagte, sie könne den Rauchstopp mit E-Zigarette „nachvollziehen“. Ihre große Sorge gelte aber denjenigen, die mit der E-Zigarette anfingen. In einer 10. Jahrgangsstufe sei zum Beispiel bei denjenigen, die die E-Zigarette nutzten, doppelt so häufig der Umstieg aufs Rauchen beobachtet worden.
Sorgen mache ihr auch, sagte Hagl-Kehl weiter, dass einige Aromastoffe in E-Zigaretten wohl gefährlich seien. „Mir haben zum Teil die Ohren geschlackert“, beschrieb sie den Moment, als ihr die Ergebnisse einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vorgestellt worden seien.
Gero Hocker, Sprecher der FDP im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, plädierte dafür, „pragmatisch“ an die Regulierung von E-Zigaretten heranzugehen. Denn: Der Umstieg von Rauchern auf die E-Zigarette sei „sehr begrüßenswert“ unter anderem angesichts des Kosten des Rauchens für die Volkswirtschaft. Der Ansatz „quit or die“, also Abstinenz oder Versterben, „nützt uns gar nichts“. Restrisiken des Dampfens müssten allerdings gezielt reduziert werden. Bezüglich einer möglichen Senkung der Steuer auf E-Zigaretten wolle er sich eher „bedeckt“ halten, sagte Hocker, der versuchte, hohe Erwartungen zu dämpfen. Die FDP setze sich allerdings prinzipiell für eine Senkung der Abgabenlast ein, und er halte einen steuerlichen Vorteil für die E-Zigarette im Vergleich zum Tabakprodukt auch für sinnvoll.
Linda Heitmann, zuständig für Drogen- und Suchtpolitik für die Grünen im Bundestag, betonte, sie wolle ebenso wie Hagl-Kehl das Augenmerk darauf legen, zu verhindern, „dass Menschen überhaupt ins Rauchen einsteigen“. Es sei sehr besorgniserregend, dass die Raucherquote jüngst in Deutschland wieder steige.
Auch bei der E-Zigarette sieht sie allerdings Probleme: „Ich möchte nicht, dass wir dahinkommen, dass die E-Zigarette als etwas total gesundes gilt“ und damit der Einstieg in die Nikotinabhängigkeit – also auch das „Rauchen der E-Zigarette“, stattfinde. Deshalb sei sie „sehr dagegen“, E-Zigaretten bei den Steuern zu bevorteilen, auch wenn sie dafür sei, die Tabaksteuern zu erhöhen. Denn das könne bei jungen Menschen einen Anreiz geben, zu sagen, die E-Zigarette sei günstig. Den „E-Vapes stehen wir alle sehr skeptisch gegenüber“, sagte sie. „Ich sehe da den Jugendschutz nicht mehr gewährleistet“, sagte sie im Zusammenhang mit der Debatte um Einweg-E-Zigaretten.
Linke: Harm Reduction wird durch Steuer „torpediert“
Hans-Jürgen Thies (CDU), zuständiger Berichterstatter der Unionsfraktion im Bundestag im Ausschuss für Ernährung & Landwirtschaft, sagte, es spreche erst einmal viel dafür, dem weniger schädlichen Produkt „den Marktzugang nicht zu erschweren“. Allerdings könne man zu einer Besteuerung, die auch mit Stimmen der Union beschlossen worden war, nicht einfach sagen: Das wirft über den Haufen. Die Lenkungswirkung müsse allerdings „immer wieder kritisch evaluiert“ werden.
Pascal Detzler, der als Fraktionsexperte der Linken für Ates Gürpinar, den Sprecher für Drogenpolitik, einsprang, positionierte sich am deutlichsten: „Wir brauchen die Harm Reduction“, sagte er. Die derzeitige Steuergesetzgebung „torpediert das Anliegen von Harm Reduction“. Für Selbstmischer zum Beispiel könne sich der Preis für das Dampfen vervierzigfachen bei der vollen Besteuerung ab 2026. „Aber wir wollen die Einweg-E-Zigarette nicht“, stellte auch er klar.
Entschlossen zu Disposable-Verbot
Wie könnte ein „Disposable“-Verbot umgesetzt werden? Hagl-Kehl von der SPD berichtete, in ihrer Fraktion herrsche der klare Entschluss, „dass das Zeug verboten wird“. Heilmann verwies auf die Bundesratsinitiative aus Bayern und die Anstrengungen für ein europäisches Verbot. „Wir würden begrüßen, wenn das erfolgreich ist, sind aber skeptisch, dass das schnell genug geschieht.“ Sie sei zudem mit dem Umweltministerium im Gespräch, ob ein Pfandsystem mit zehn Euro Pfand möglich sei. Auch Hocker von der FDP sagte, er habe „Sympathie für eine Einweg-Regulierung“.
Zum Schluss wurden noch einmal grundsätzlich andere Schwerpunkte innerhalb der Ampel-Koalition deutlich. Hagl-Kehl von der SPD sprach von einer klaren roten Linie, einer „Grenze“. Alles, was unter Jugendschutz falle, „da gibt es für mich keine Verhandlungsbasis“, sagte sie. Gero Hocker verwies dagegen abschließend auf das „Große Ganze“: „Es geht darum, die tödlichen Gefahren des konventionellen Rauchens zu reduzieren.“
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Für die E-Zigarette stehen wichtige politische Entscheidungen an, von Aromenregulierung über eine mögliche Änderung der Besteuerung bis hin zum Verbot von Einweg-E-Zigaretten. Darüber – und über die wissenschaftlichen Grundlagen, die diese Entscheidungen untermauern sollten – diskutierten am Mittwoch bei der 9. eGarage Insight fünf politische Vertreter aus dem Bundestag und vier Experten.
Den Impuls gab Lion Shahab, Professor für Gesundheitspsychologie am University College London und einer der weltweit meistzitierten Forscher zum Thema Harm Reduction. Zunächst stellte er in seinem auf Englisch gehaltenen Vortrag klar: Der Verbrennungsvorgang ist das, was Zigaretten so schädlich macht. E-Zigaretten seien ebenfalls nicht ungefährlich – aber Biomarker, die gute Rückschlüsse auf die Schädlichkeit geben, seien um 70 bis 90 Prozent reduziert.
Bezüglich zahlreicher Risiken gebe es sogar „keinen Unterschied“ zwischen Dampfern und Nichtdampfern, sagte Shahab. Allerdings betonte er ebenfalls: Um letztgültige Antworten über die gesundheitlichen Auswirkungen zu haben, würden noch Jahrzehnte vergehen. Dass E-Zigaretten kein „substanzielles Risiko“ darstellten, sei nicht definitiv bewiesen, aber es sei davon auszugehen.
Positiver Umgang kann Rauchstopp-Rate steigern
Helfen E-Zigaretten beim Rauchstopp? Ja, das sei inzwischen unter anderem über einen Cochrane Review, der als Goldstandard für evidenzbasierte Medizin gilt, gut nachgewiesen. Die Rauchstopp-Rate steigere sich beim Einsatz von E-Zigaretten auf rund das Doppelte. Besonders effektiv seien sie in Kombination mit Gesprächstherapien, die zu einer Verdreifachung der Stopprate im Vergleich zu anderen Methoden führten. Allerdings seien die Untersuchungen nur ein starker Hinweis – deshalb sei der Blick auf reale Auswirkungen wichtig.
In Großbritannien, so Shahab weiter, habe die weite Verbreitung der E-Zigarette bei Rauchstopps zu klaren realen Ergebnisse geführt, die wissenschaftlich untersucht wurden. 34 Prozent der rund sieben Millionen Raucher hätten 2019 versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, davon wiederum 35 Prozent hätten diese mit der E-Zigarette versucht. Etwa 15.000 Rauchern zusätzlich sei so der Abschied von der Zigarette gelungen, fasste er zusammen. Insgesamt sei in Ländern, die die E-Zigarette unterstützten, zu beobachten, dass sich die gewöhnlich erwartete Rauchstopp-Rate etwa verdoppele im Vergleich zu anderen Staaten.
Wie gefährlich ist der sogenannte Gateway-Effekt, also die Gefahr, dass Dampfer, die nicht geraucht haben, zu Rauchern werden? Hier betonte Shahab, dass die Raucherraten in den USA weiter und zeitweise sogar besonders stark gefallen seien in der Zeit, in der die Juul-E-Zigarette dort besonders populär geworden sei. Die sinkenden Rauchquoten gälten auch für Jugendliche, bei denen Juul besonders große Verbreitung gefunden hatte. Seine abschließende Zusammenfassung: „Die besten derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnisse legen nahe, dass E-Zigaretten einen positiven Effekt auf die öffentliche Gesundheit haben.“
Schwere Defizite der deutschen Tabakpolitik
Auf Nachfrage sagte Shahab, dass die deutsche Tabakkontrollpolitik aus seiner Sicht Defizite aufweise. Zigaretten seien vergleichsweise günstig, anders als zum Beispiel in Großbritannien, und Werbung sei zum Beispiel in Geschäften noch erlaubt. Während die Raucherquote in Deutschland um die 30 Prozent liege, sei sie in Großbritannien nicht einmal mehr halb so hoch. „Es geht um deutlich mehr als E-Zigaretten“, sagte er.
Professor Martin Storck, Chef der Gefäß- und Thoraxchirurgie am Klinikum Karlsruhe, betonte, dass die Gefäßpatienten, die dort behandelt würden, zu etwa 90 Prozent Raucher seien. „Unsere Fachgesellschaft hat sich des Themas verstärkt angenommen“, sagte er. Denn die E-Zigarette sei ein „Tool“, das verstärkt auch durch Ärzte angeboten werden müsse. Nur acht Prozent der Raucher wollten aufhören, die E-Zigarette könne dabei helfen, das Risiko für einen Teil der anderen zu reduzieren. „Ein einfaches Gespräch hilft oft nicht, um Einsicht zu schaffen“ bei den Patienten, sagte er, das sei „frustrierend“.
Debatte um die Behandlungsleitlinien
Eine wichtige Baustelle im deutschen Gesundheitssystem sind aus seiner Sicht die Behandlungsleitlinien für Ärzte, die Raucher behandeln. Trotz überzeugender Daten aus anderen Ländern werde die E-Zigarette nur in zweiter Linie empfohlen. Aufgrund der neuen Forschungsergebnisse müssten die Leitlinien „eigentlich schon wieder überarbeitet werden“, sagte er. Zudem brauche es wie in Großbritannien bessere epidemiologische Daten.
Einen Beitrag werde eine in Aachen angelaufene Studie leisten, die auf der vorigen eGarage Insight vorgestellt worden war. Sie wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit zwei Millionen Euro gefördert und enthält die E-Zigarette als „Option, wenn andere Verfahren nicht greifen“. Dann habe man auch aus Deutschland Daten über die Wirksamkeit von E-Zigaretten als zusätzlicher Rauchstopp-Option. Allerdings würde es bis zu den finalen Ergebnissen noch einige Jahre dauern.
PD Dr. Tobias Rüther, Leiter der Tabakambulanz am Universitätsklinikum München, betonte ähnlich wie Shahab die Tabakkontrolle als wichtigsten Schwerpunkt. Die Zigarette müsse „aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden“, sagte er. Das bedeute auch, dass weitere Steuererhöhungen notwendig seien. „Mit jedem Cent, die Zigaretten teurer werden, rettet man Menschenleben“, sagte Rüther. Er sei der letzte, der sagen würde „steigt nicht um“, sagte Rüther zur Option E-Zigarette. Denn den Rauchstopp ohne Ersatz „können nicht alle, wollen nicht alle, schaffen nicht alle“.
Rüther: Nikotin von Jugendlichen fernhalten
Allerdings betonte Rüther, der eine rosafarbene Einweg-E-Zigarette zur Veranstaltung mitgebracht hatte und herumreichte: „Schauen Sie, dass Jugendliche nicht mit dem Suchtstoff Nikotin in Kontakt kommen!“ Denn Abhängigkeit entstehe in der Adoleszenz, im sich formenden Organismus. Derartige Produkte, die auf Jugendliche zielten, sollten aus seiner Sicht verboten werden.
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Die Kommunikationsexpertin und Professorin Susanne Knorre von der Hochschule Osnabrück sagte, es sei grundsätzlich richtig, die Handlungsspektren auch beim Rauchstopp möglichst breit anzulegen. Kaum ein Gebiet sei so gut erforscht wie die Gesundheitskommunikation. Den Harm-Reduction-Ansatz übermäßig mit Warnungen und Angst zu behaften, werde die Wirkung möglicherweise zunichte gemacht. Bei starken Rauchern, denen der Rauchstopp anders nicht gelinge, sei deshalb ein „positives Framing“ wichtig. Zudem betonte sie die Notwendigkeit von gewissen Kompromissen. „Gibt man den konsensualen und positiven Effekt der Harm Reduction auf, nur weil es unbeabsichtigte Nebenwirkungen gibt?“
Sorgen in der SPD um die Jugendlichen und Aromen
Wie schätzen die Vertreter aus dem Bundestag die Debatte ein? Rita Hagl-Kehl, zuständige Berichterstatterin im Ausschuss Ernährung & Landwirtschaft, sagte, sie könne den Rauchstopp mit E-Zigarette „nachvollziehen“. Ihre große Sorge gelte aber denjenigen, die mit der E-Zigarette anfingen. In einer 10. Jahrgangsstufe sei zum Beispiel bei denjenigen, die die E-Zigarette nutzten, doppelt so häufig der Umstieg aufs Rauchen beobachtet worden.
Sorgen mache ihr auch, sagte Hagl-Kehl weiter, dass einige Aromastoffe in E-Zigaretten wohl gefährlich seien. „Mir haben zum Teil die Ohren geschlackert“, beschrieb sie den Moment, als ihr die Ergebnisse einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vorgestellt worden seien.
Gero Hocker, Sprecher der FDP im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, plädierte dafür, „pragmatisch“ an die Regulierung von E-Zigaretten heranzugehen. Denn: Der Umstieg von Rauchern auf die E-Zigarette sei „sehr begrüßenswert“ unter anderem angesichts des Kosten des Rauchens für die Volkswirtschaft. Der Ansatz „quit or die“, also Abstinenz oder Versterben, „nützt uns gar nichts“. Restrisiken des Dampfens müssten allerdings gezielt reduziert werden. Bezüglich einer möglichen Senkung der Steuer auf E-Zigaretten wolle er sich eher „bedeckt“ halten, sagte Hocker, der versuchte, hohe Erwartungen zu dämpfen. Die FDP setze sich allerdings prinzipiell für eine Senkung der Abgabenlast ein, und er halte einen steuerlichen Vorteil für die E-Zigarette im Vergleich zum Tabakprodukt auch für sinnvoll.
Linda Heitmann, zuständig für Drogen- und Suchtpolitik für die Grünen im Bundestag, betonte, sie wolle ebenso wie Hagl-Kehl das Augenmerk darauf legen, zu verhindern, „dass Menschen überhaupt ins Rauchen einsteigen“. Es sei sehr besorgniserregend, dass die Raucherquote jüngst in Deutschland wieder steige.
Auch bei der E-Zigarette sieht sie allerdings Probleme: „Ich möchte nicht, dass wir dahinkommen, dass die E-Zigarette als etwas total gesundes gilt“ und damit der Einstieg in die Nikotinabhängigkeit – also auch das „Rauchen der E-Zigarette“, stattfinde. Deshalb sei sie „sehr dagegen“, E-Zigaretten bei den Steuern zu bevorteilen, auch wenn sie dafür sei, die Tabaksteuern zu erhöhen. Denn das könne bei jungen Menschen einen Anreiz geben, zu sagen, die E-Zigarette sei günstig. Den „E-Vapes stehen wir alle sehr skeptisch gegenüber“, sagte sie. „Ich sehe da den Jugendschutz nicht mehr gewährleistet“, sagte sie im Zusammenhang mit der Debatte um Einweg-E-Zigaretten.
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Pascal Detzler, der als Fraktionsexperte der Linken für Ates Gürpinar, den Sprecher für Drogenpolitik, einsprang, positionierte sich am deutlichsten: „Wir brauchen die Harm Reduction“, sagte er. Die derzeitige Steuergesetzgebung „torpediert das Anliegen von Harm Reduction“. Für Selbstmischer zum Beispiel könne sich der Preis für das Dampfen vervierzigfachen bei der vollen Besteuerung ab 2026. „Aber wir wollen die Einweg-E-Zigarette nicht“, stellte auch er klar.
Entschlossen zu Disposable-Verbot
Wie könnte ein „Disposable“-Verbot umgesetzt werden? Hagl-Kehl von der SPD berichtete, in ihrer Fraktion herrsche der klare Entschluss, „dass das Zeug verboten wird“. Heilmann verwies auf die Bundesratsinitiative aus Bayern und die Anstrengungen für ein europäisches Verbot. „Wir würden begrüßen, wenn das erfolgreich ist, sind aber skeptisch, dass das schnell genug geschieht.“ Sie sei zudem mit dem Umweltministerium im Gespräch, ob ein Pfandsystem mit zehn Euro Pfand möglich sei. Auch Hocker von der FDP sagte, er habe „Sympathie für eine Einweg-Regulierung“.
Zum Schluss wurden noch einmal grundsätzlich andere Schwerpunkte innerhalb der Ampel-Koalition deutlich. Hagl-Kehl von der SPD sprach von einer klaren roten Linie, einer „Grenze“. Alles, was unter Jugendschutz falle, „da gibt es für mich keine Verhandlungsbasis“, sagte sie. Gero Hocker verwies dagegen abschließend auf das „Große Ganze“: „Es geht darum, die tödlichen Gefahren des konventionellen Rauchens zu reduzieren.“
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