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Bei der 5. eGarage Insight: Klinikärzte und Bundestagsabgeordnete in der Diskussion.

5. eGarage Insight: Ärzte und Abgeordnete im Gespräch

18. September 2020By JJS

Die E-Zigarette wird teils kritisch beäugt, erfährt aber auch Unterstützung als Rauchstopp-Option – wenn die Entwöhnung ansonsten nicht gelingt. Wie sollte das deutsche Gesundheitssystem und die regulierende Politik mit der Rauchentwöhnung generell umgehen? Und wie speziell mit dem „Dampfen“, also der E-Zigarette? Das war das Thema der 5. eGarage Insight am 16. September im Berlin – zu Gast waren drei hochrangige Klinikärzte und drei Bundestagsabgeordnete sowie eine Wissenschaftlerin des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die intensiv über richtige Ansätze und Lösungen diskutierten.

Zu Beginn des Austauschs stellte Dr.Tobias Rüther, Suchtmediziner und Oberarzt des Universitätsklinikums München, klar, dass aus seiner Sicht alle wissenschaftlichen Daten, die er noch einmal aktuell überprüft hab, zeigen: „Die E-Zigarette ist nicht ungefährlich.“ Ebenso deutlich sei allerdings: Das Dampfen sei Größenordnungen weniger schädlich als Rauchen. „Deshalb sagen alle Suchtgesellschaften: Wer nicht mit dem Rauchen aufhören kann, also diejenigen mit einer Suchtkrankheit, auch nicht mit Raucherentwöhnungskursen und anderen Verfahren  – dann ist der Umstieg die bessere Alternative.“ Ob die E-Zigarette für Jugendliche ein Einsteigerprodukt sei, müsse genau weiter beobachtet werden, ergänzte Rüther. „Ich sage generell als Suchtmediziner: Finger weg von Suchtmitteln im Jugendalter.“

Dr. Elke Pieper, Expertin des BfR, stellte ebenfalls klar: „Studien, die es zurzeit gibt, deuten darauf hin, dass der Schadstoffgehalt im Dampf gegenüber dem Zigarettenrauch um 90 bis 95 Prozent reduziert ist.“ Auch Professor Martin Storck, Klinikdirektor der Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe, sieht Einschränkungen: „Für bestimmte Patientengruppen, die schwer lungenkrank sind, gilt: Sie sollten besser gar nichts inhalieren.“ Aber auch er sagt: Für stark abhängige Raucher, die noch nicht schwer erkrankt seien oder ein erhebliches Risiko für Herzkreislauferkrankungen aufweisen, könne die E-Zigarette „eine Chance sein, vom Rauchen loszukommen“.

Mangelndes Wissen in der Ärzteschaft

Storck beklagte mangelndes Wissen darüber, auch in seinem Berufsstand: „Die Ärzteschaft weiß über die Möglichkeiten zu wenig Bescheid, zum Beispiel auch die Pulmologen, also die Lungenärzte, und die Kardiologen, die Herzspezialisten. Viele halten fälschlich die E-Zigarette für genauso schädlich wie die Tabakzigarette oder gehen zum Beispiel irrig davon aus, Nikotin sei krebserregend“, wie eine Umfrage unter US-Amerikanischen Ärzten erst wieder kürzlich bestätigt habe. Auch Rüther sagte: „Nikotin ist nicht giftig – das ist ein historischer Irrtum.“ Suchterzeugend sei es allerdings schon – dies müsse auch beachtet werden.

Die Ärzteschaft müsse sich selbst besser informieren, aber auch durch die Gesundheitsbehörden, besser informiert werden, forderte Storck. „Das Thema Rauchentwöhnung ist ganz generell völlig unterentwickelt. Es geht ja um verfügbares, sicheres Wissen.“ Die deutliche Schadensreduktion habe zum Beispiel auch das Deutsche Krebsforschungszentrum wiederholt in Veröffentlichungen und Statements festgestellt.

Rüther merkte an, gerade Rauchen und Nikotin seien  sehr emotionale Themen. Selten werde so „unwissenschaftlich von Wissenschaftlern“ argumentiert wie in diesem Fall. Storck nannte als Beispiel Studien, in denen nicht ausreichende oder falsch gewählte Kontrollgruppen Teil der Untersuchung seien oder sogenannte „Switch-Studien“ mit methodischen Fehlern behaftet sein, was schon zur Rücknahme von Publikationen in renommierten Journalen geführt habe.

Professor Knut Kröger, Chefarzt der Klinik für Angiologie des Helios Klinikum Krefeld fügte hinzu, die Leitlinien für die Behandlung seien inkonsistent. Und: Arzneimittel würden aufgrund gesetzlicher Vorgaben immer auf Nichtunterlegenheit zu existierenden Produkten getestet – bei E-Zigaretten sei aber unklar, womit überhaupt verglichen werden solle. Es sei für die ärztliche Praxis ein „klarer Leitfaden“ nötig, der auch eine zeitliche Linie vorsehe. Derzeit könne man ohne weitere Schritte jahrelang erfolglos zum Rauchstopp auffordern. Deshalb wäre es wichtig: „Wenn andere Methoden nicht greifen, müssen wir irgendwann auch über E-Zigaretten reden dürfen.“

Privatdozent Dr. Tobias Rüther, der an den neuen Leitlinien der AWMF zur Rauchentwöhung mitgearbeitet hat, sagte, diese würden bis zum Ende des Jahres fertiggestellt, es dürfe davon „aber nicht zu viel erwartet“ werden, was die aktive Empfehlung für die Verwendung von E-Zigaretten angehe.

Wo können Raucher tatsächlich effektiv und in großer Zahl Hilfe bekommen und über Alternativen aufgeklärt werden sowie Hilfsangebote bekommen? „Effektiv im Krankenhaus können wir das nicht betreiben“, sagten Kröger und Storck. Ursache sei der kurze Aufenthalt in der Klinik sowie die fehlende Möglichkeit der Langzeitbetreuung.

Rüther ergänzte, es sei problematisch, dass Rauchen als sogenannte Lifestyle-Erkrankung vom Gesundheitssystem in Deutschland behandelt würde. „Rauchen hat mit Lifestyle überhaupt nichts zu tun. Der klassische Raucher kann nicht mit einfacher Willensentscheidung aufhören. Das heißt, es ist eine Erkrankung, die ähnlich ernst genommen werden muss wie der Alkoholismus.“ Es stürben jedes Jahr 120.000 Menschen aufgrund des Rauchens in Deutschland. Es sein „ein Trauerspiel“, dass die Tabakentwöhnung angesichts dieser dramatischen Situation nicht von den Kostenträger erstattet werde – „die Kosten lägen bei 400 Euro pro Patient“. Es sei ein deutsches Phänomen, dass Tabakabhängigkeit nicht wie eine Erkrankung behandelt werde.

Bundestagsabgeordnete einig: Bessere Prävention und Hilfen für Raucher nötig

Wie reagierten die Gesundheitspolitiker? Alexander Krauß, CDU, im Ausschuss für Gesundheit des Bundestags, verteidigte zunächst das ab kommendem Jahr auch für E-Zigaretten geltende Werbeverbot. Es sei „insgesamt richtig, dass man versucht den Tabakkonsum zurückzudrängen“. Und es sei auch deutlich geworden, „dass E-Zigaretten nicht ungefährlich sind. Deshalb muss man dafür auch keine Werbung machen“. Aber man könne auch darauf hinweisen, dass das Dampfen positive Seiten habe – wenn man mit dem Rauchen aufhören wolle, es aber nicht vollständig gehe. Vorsichtig, sagte Krauß weiter, sei er, „wenn es darum geht, wer es bezahlen muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Krankenkasse das bezahlt“.

Dirk Heidenblut, für die SPD im Ausschuss für Gesundheit und Berichterstatter für Drogen/Sucht, sagte, bezüglich des Werbeverbots: „Wir reden ja nicht darüber, Produkte zu verbieten, sondern über Werbung. Beim Werbeverbot wäre ich gerne weitergegangen, bin aber froh, dass es überhaupt gelungen ist, das zu machen.“ Er riet zudem, die Zusammensetzung von Liquids im Auge zu behalten. „Wir sehen, wie sich die E-Zigarette verändert. Wir haben an Amerika gesehen, was passiert, wenn man falsche Stoffe zusetzt.“ Es sei richtig, „dass wir eine klare Untersuchung zu den Liquids bekommen.“ Es ergebe generell Sinn, neutrale und unabhängige Studien zu haben.

Dr. Wieland Schinnenburg, FDP, ebenfalls Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie Fraktionssprecher für Sucht- und Drogenpolitik, stellte klar: „Als Liberale sagen wir: Man darf auch sich selbst schädigen.“ Man müsse das selbst entscheiden können, „sonst kommen wir in gefährliches Fahrwasser“. Aber es gebe auch ein großes Defizit bei der Prävention. „Die Information der Bevölkerung könnte viel besser passieren.“ Zudem sei es klassische Aufgabe der EU, eine einheitliche Produktsicherheit zu gewährleisten – hier müsse noch mehr getan werden.

Dem stimmte Heidenblut von der SPD zu. Es sei „insgesamt wichtig, dass man ein harmonisiertes System hat“, das Produktsicherheit garantiere. Das habe aber mit einem Werbeverbot nichts zu tun – wichtig sei, dass Menschen nicht indoktriniert würden, schädlich zu leben.

Im Austausch mit den Abgeordneten fragte Storck, ob es nicht richtig sei, die Tabakentwöhnung als ärztliche Leistung von den Krankenkassen bezahlen zu lassen. „Ist das nicht gut investiertes Geld, das erstattungsfähig zu machen?“, wollte er von den Politikern wissen. Krauß antwortete: „Ich bin der Ansicht, dass wir das System verändern sollten. Die Entwöhnungsbehandlung muss besser laufen.“ Im Mittelpunkt stehen für ihn dabei das Rauchen und auch die Behandlung von Adipositas. Skeptisch sei er bei einer „E-Zigarette auf Rezept“. Er sprach allerdings ein Disease Management Programm ähnlich wie für die schwere Lungenerkrankung COPD an.

Auch Heidenblut ist dieser Meinung: „Ich halte viel davon, wenn wir die Rauchentwöhnung finanzieren lassen.“ Wie diese finanziert werde, welche finanziert werde? Das müssten die Fachleute entscheiden, das sei keine politische Entscheidung. „Der Gesetzgeber muss sagen, dass er es will, wo es hingehen soll und einen klaren Auftrag geben.“ Entsprechende Richtlinien bis zum Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), der festlegt, welche Leistungen von den Krankenkassen erbracht werden, müssten diskutiert werden. „Bei den Folgen, die das hat, muss das in die Finanzierung kommen, das ist aber auch ein schwieriger Diskussionsprozess.“

Defizit auf Ärztekongressen

Verschreibung von E-Zigaretten? Hier hielt der SPD-Politiker sich zurück. „Ich bin kein Arzt“, sagte Heidenblut. „Wenn klar ist, dass die E-Zigarette Schaden verursacht, dann muss man vorsichtig sein“, er wolle sich aber nicht in therapeutische Entscheidungen einmischen. „Da müssen die Ärzte und die Ärztekammer aus den Hufen kommen.“ Die Situation werde sich aber mit Sicherheit weiterentwickeln. Krauß ergänzte, der Zeitpunkt sei etwas ungünstig für eine solche Diskussion auch wegen der Coronapandemie – und er wolle nicht zu viel versprechen, es müssten auch wissenschaftliche Erkenntnisse noch abgewartet werden.

Storck und Kröger ermunterten die Politik noch einmal explizit, aktiv zu werden. „Das kann man nicht der ärztlichen Selbstverwaltung überlassen, wir können das nicht durchsetzen“, sagte Storck. GBA und Politik müssten aktiv werden. Kröger sieht aber auch die Ärzteschaft zumindest mit in der Pflicht. Die Fachgesellschaften sollten das Thema Rauchentwöhnung auch auf ihren Kongressen stärker thematisieren diskutieren– „ganz neutral“, sagte er. Derzeit sei es von der Agenda der Gesundheitsforschung weitgehend verschwunden.

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18. September 2020By JJS

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Zu Beginn des Austauschs stellte Dr.Tobias Rüther, Suchtmediziner und Oberarzt des Universitätsklinikums München, klar, dass aus seiner Sicht alle wissenschaftlichen Daten, die er noch einmal aktuell überprüft hab, zeigen: „Die E-Zigarette ist nicht ungefährlich.“ Ebenso deutlich sei allerdings: Das Dampfen sei Größenordnungen weniger schädlich als Rauchen. „Deshalb sagen alle Suchtgesellschaften: Wer nicht mit dem Rauchen aufhören kann, also diejenigen mit einer Suchtkrankheit, auch nicht mit Raucherentwöhnungskursen und anderen Verfahren  – dann ist der Umstieg die bessere Alternative.“ Ob die E-Zigarette für Jugendliche ein Einsteigerprodukt sei, müsse genau weiter beobachtet werden, ergänzte Rüther. „Ich sage generell als Suchtmediziner: Finger weg von Suchtmitteln im Jugendalter.“

Dr. Elke Pieper, Expertin des BfR, stellte ebenfalls klar: „Studien, die es zurzeit gibt, deuten darauf hin, dass der Schadstoffgehalt im Dampf gegenüber dem Zigarettenrauch um 90 bis 95 Prozent reduziert ist.“ Auch Professor Martin Storck, Klinikdirektor der Gefäß- und Thoraxchirurgie am Städtischen Klinikum Karlsruhe, sieht Einschränkungen: „Für bestimmte Patientengruppen, die schwer lungenkrank sind, gilt: Sie sollten besser gar nichts inhalieren.“ Aber auch er sagt: Für stark abhängige Raucher, die noch nicht schwer erkrankt seien oder ein erhebliches Risiko für Herzkreislauferkrankungen aufweisen, könne die E-Zigarette „eine Chance sein, vom Rauchen loszukommen“.

Mangelndes Wissen in der Ärzteschaft

Storck beklagte mangelndes Wissen darüber, auch in seinem Berufsstand: „Die Ärzteschaft weiß über die Möglichkeiten zu wenig Bescheid, zum Beispiel auch die Pulmologen, also die Lungenärzte, und die Kardiologen, die Herzspezialisten. Viele halten fälschlich die E-Zigarette für genauso schädlich wie die Tabakzigarette oder gehen zum Beispiel irrig davon aus, Nikotin sei krebserregend“, wie eine Umfrage unter US-Amerikanischen Ärzten erst wieder kürzlich bestätigt habe. Auch Rüther sagte: „Nikotin ist nicht giftig – das ist ein historischer Irrtum.“ Suchterzeugend sei es allerdings schon – dies müsse auch beachtet werden.

Die Ärzteschaft müsse sich selbst besser informieren, aber auch durch die Gesundheitsbehörden, besser informiert werden, forderte Storck. „Das Thema Rauchentwöhnung ist ganz generell völlig unterentwickelt. Es geht ja um verfügbares, sicheres Wissen.“ Die deutliche Schadensreduktion habe zum Beispiel auch das Deutsche Krebsforschungszentrum wiederholt in Veröffentlichungen und Statements festgestellt.

Rüther merkte an, gerade Rauchen und Nikotin seien  sehr emotionale Themen. Selten werde so „unwissenschaftlich von Wissenschaftlern“ argumentiert wie in diesem Fall. Storck nannte als Beispiel Studien, in denen nicht ausreichende oder falsch gewählte Kontrollgruppen Teil der Untersuchung seien oder sogenannte „Switch-Studien“ mit methodischen Fehlern behaftet sein, was schon zur Rücknahme von Publikationen in renommierten Journalen geführt habe.

Professor Knut Kröger, Chefarzt der Klinik für Angiologie des Helios Klinikum Krefeld fügte hinzu, die Leitlinien für die Behandlung seien inkonsistent. Und: Arzneimittel würden aufgrund gesetzlicher Vorgaben immer auf Nichtunterlegenheit zu existierenden Produkten getestet – bei E-Zigaretten sei aber unklar, womit überhaupt verglichen werden solle. Es sei für die ärztliche Praxis ein „klarer Leitfaden“ nötig, der auch eine zeitliche Linie vorsehe. Derzeit könne man ohne weitere Schritte jahrelang erfolglos zum Rauchstopp auffordern. Deshalb wäre es wichtig: „Wenn andere Methoden nicht greifen, müssen wir irgendwann auch über E-Zigaretten reden dürfen.“

Privatdozent Dr. Tobias Rüther, der an den neuen Leitlinien der AWMF zur Rauchentwöhung mitgearbeitet hat, sagte, diese würden bis zum Ende des Jahres fertiggestellt, es dürfe davon „aber nicht zu viel erwartet“ werden, was die aktive Empfehlung für die Verwendung von E-Zigaretten angehe.

Wo können Raucher tatsächlich effektiv und in großer Zahl Hilfe bekommen und über Alternativen aufgeklärt werden sowie Hilfsangebote bekommen? „Effektiv im Krankenhaus können wir das nicht betreiben“, sagten Kröger und Storck. Ursache sei der kurze Aufenthalt in der Klinik sowie die fehlende Möglichkeit der Langzeitbetreuung.

Rüther ergänzte, es sei problematisch, dass Rauchen als sogenannte Lifestyle-Erkrankung vom Gesundheitssystem in Deutschland behandelt würde. „Rauchen hat mit Lifestyle überhaupt nichts zu tun. Der klassische Raucher kann nicht mit einfacher Willensentscheidung aufhören. Das heißt, es ist eine Erkrankung, die ähnlich ernst genommen werden muss wie der Alkoholismus.“ Es stürben jedes Jahr 120.000 Menschen aufgrund des Rauchens in Deutschland. Es sein „ein Trauerspiel“, dass die Tabakentwöhnung angesichts dieser dramatischen Situation nicht von den Kostenträger erstattet werde – „die Kosten lägen bei 400 Euro pro Patient“. Es sei ein deutsches Phänomen, dass Tabakabhängigkeit nicht wie eine Erkrankung behandelt werde.

Bundestagsabgeordnete einig: Bessere Prävention und Hilfen für Raucher nötig

Wie reagierten die Gesundheitspolitiker? Alexander Krauß, CDU, im Ausschuss für Gesundheit des Bundestags, verteidigte zunächst das ab kommendem Jahr auch für E-Zigaretten geltende Werbeverbot. Es sei „insgesamt richtig, dass man versucht den Tabakkonsum zurückzudrängen“. Und es sei auch deutlich geworden, „dass E-Zigaretten nicht ungefährlich sind. Deshalb muss man dafür auch keine Werbung machen“. Aber man könne auch darauf hinweisen, dass das Dampfen positive Seiten habe – wenn man mit dem Rauchen aufhören wolle, es aber nicht vollständig gehe. Vorsichtig, sagte Krauß weiter, sei er, „wenn es darum geht, wer es bezahlen muss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Krankenkasse das bezahlt“.

Dirk Heidenblut, für die SPD im Ausschuss für Gesundheit und Berichterstatter für Drogen/Sucht, sagte, bezüglich des Werbeverbots: „Wir reden ja nicht darüber, Produkte zu verbieten, sondern über Werbung. Beim Werbeverbot wäre ich gerne weitergegangen, bin aber froh, dass es überhaupt gelungen ist, das zu machen.“ Er riet zudem, die Zusammensetzung von Liquids im Auge zu behalten. „Wir sehen, wie sich die E-Zigarette verändert. Wir haben an Amerika gesehen, was passiert, wenn man falsche Stoffe zusetzt.“ Es sei richtig, „dass wir eine klare Untersuchung zu den Liquids bekommen.“ Es ergebe generell Sinn, neutrale und unabhängige Studien zu haben.

Dr. Wieland Schinnenburg, FDP, ebenfalls Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie Fraktionssprecher für Sucht- und Drogenpolitik, stellte klar: „Als Liberale sagen wir: Man darf auch sich selbst schädigen.“ Man müsse das selbst entscheiden können, „sonst kommen wir in gefährliches Fahrwasser“. Aber es gebe auch ein großes Defizit bei der Prävention. „Die Information der Bevölkerung könnte viel besser passieren.“ Zudem sei es klassische Aufgabe der EU, eine einheitliche Produktsicherheit zu gewährleisten – hier müsse noch mehr getan werden.

Dem stimmte Heidenblut von der SPD zu. Es sei „insgesamt wichtig, dass man ein harmonisiertes System hat“, das Produktsicherheit garantiere. Das habe aber mit einem Werbeverbot nichts zu tun – wichtig sei, dass Menschen nicht indoktriniert würden, schädlich zu leben.

Im Austausch mit den Abgeordneten fragte Storck, ob es nicht richtig sei, die Tabakentwöhnung als ärztliche Leistung von den Krankenkassen bezahlen zu lassen. „Ist das nicht gut investiertes Geld, das erstattungsfähig zu machen?“, wollte er von den Politikern wissen. Krauß antwortete: „Ich bin der Ansicht, dass wir das System verändern sollten. Die Entwöhnungsbehandlung muss besser laufen.“ Im Mittelpunkt stehen für ihn dabei das Rauchen und auch die Behandlung von Adipositas. Skeptisch sei er bei einer „E-Zigarette auf Rezept“. Er sprach allerdings ein Disease Management Programm ähnlich wie für die schwere Lungenerkrankung COPD an.

Auch Heidenblut ist dieser Meinung: „Ich halte viel davon, wenn wir die Rauchentwöhnung finanzieren lassen.“ Wie diese finanziert werde, welche finanziert werde? Das müssten die Fachleute entscheiden, das sei keine politische Entscheidung. „Der Gesetzgeber muss sagen, dass er es will, wo es hingehen soll und einen klaren Auftrag geben.“ Entsprechende Richtlinien bis zum Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), der festlegt, welche Leistungen von den Krankenkassen erbracht werden, müssten diskutiert werden. „Bei den Folgen, die das hat, muss das in die Finanzierung kommen, das ist aber auch ein schwieriger Diskussionsprozess.“

Defizit auf Ärztekongressen

Verschreibung von E-Zigaretten? Hier hielt der SPD-Politiker sich zurück. „Ich bin kein Arzt“, sagte Heidenblut. „Wenn klar ist, dass die E-Zigarette Schaden verursacht, dann muss man vorsichtig sein“, er wolle sich aber nicht in therapeutische Entscheidungen einmischen. „Da müssen die Ärzte und die Ärztekammer aus den Hufen kommen.“ Die Situation werde sich aber mit Sicherheit weiterentwickeln. Krauß ergänzte, der Zeitpunkt sei etwas ungünstig für eine solche Diskussion auch wegen der Coronapandemie – und er wolle nicht zu viel versprechen, es müssten auch wissenschaftliche Erkenntnisse noch abgewartet werden.

Storck und Kröger ermunterten die Politik noch einmal explizit, aktiv zu werden. „Das kann man nicht der ärztlichen Selbstverwaltung überlassen, wir können das nicht durchsetzen“, sagte Storck. GBA und Politik müssten aktiv werden. Kröger sieht aber auch die Ärzteschaft zumindest mit in der Pflicht. Die Fachgesellschaften sollten das Thema Rauchentwöhnung auch auf ihren Kongressen stärker thematisieren diskutieren– „ganz neutral“, sagte er. Derzeit sei es von der Agenda der Gesundheitsforschung weitgehend verschwunden.

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